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Alles Roger, singt der Holger!

Der »zweite Frühling« ohne Publikum und Applaus steht vor der Tür. Auch Hobby-Künstler mit Handicap können derzeit nur im stillen Kämmerlein singen, so wie Holger Steinigk.
Bei Anruf gibt es das Duo Roger & Holger. Foto: wit

Bei Anruf gibt es das Duo Roger & Holger. Foto: wit

Der »lebensfrohe Playbacksänger« kam mit einer Diagnose auf die Welt, die nicht mal altgediente Mediziner vernünftig aussprechen können (siehe Kasten), dem Baby damals aber keine hohe Lebenserwartung prognostizierten. Heute ist Holger 46, arbeitet fleißig in den Elsterwerkstätten in Massen und frönt trotz Handicap einem Hobby, dem seine Mitmenschen hin und wieder ein wenig Respekt zollen. Der Crinitzer singt nämlich für sein Leben gern Schlager und stand schon mit Barden wie Guildo Horn oder Roger Whittaker auf der Bühne.

Lebensfroh im Lockdown

Am liebsten ist er aber mit seinen rund 18 singenden Mitstreitern, den Frauen und Männer der Finsterwalder Musikschulgruppe »Lebensfroh« unterwegs, um mit seiner Musikpädagogin, Karin Melzer, die Festzelte des Landkreises zu rocken. Seit dem ersten Lockdown ist aber auch für Künstler mit körperlicher oder geistiger Behinderung Schluss mit lustig. Umso mehr hoffen nicht nur Holgers Eltern, Bärbel und Klaus-Dieter Steinigk, dass die Chefin der Gruppe nicht den Mut verliert und so bald es wieder geht weitermacht. »Karin Melzer, die übrigens am kommenden Sonntag einen runden Geburtstag feiern kann, ist für uns Eltern und unsere Schützlinge eine Art Fels in der Brandung. Sie versteht es aus eigener leidlicher Erfahrung, mit den Kindern umzugehen und verschafft ihnen wichtige kleine und manchmal auch größere Erfolgserlebnisse. Allein dafür sind wir ihr als Eltern zutiefst dankbar«, so Bärbel Steinigk.

Was jetzt fehlt

Doch nicht nur die regelmäßigen Auftritte fehlen dem Whittaker-Fan, auch die Kontakte zu seinen Freunden. Weshalb derzeit das Mikro im Telefon zu seinem wichtigstem Kommunikationsmittel wurde. »Sie telefonieren manchmal stundenlag miteinander. Und wenn eine seiner Freundinnen oder Freunde Geburtstag hat, dann greift er zum Mikrofon, legt eine Playback-CD ein und den Telefonhörer vor die Lautsprecher. Dann bekommt das Geburtstagskind Roger im Holger-Format«, freut sich die Mutter.

Ein Hauch Hoffnung

Doch nichts wünschen sie sich jetzt sehnlicher, als dass wieder ein Stück Normalität zurückkehrt. Die angekündigten Impfungen nähren dabei die Hoffnung darauf nur wenig, meint Bärbel Steinigk, die mit vielen Fragen und Zweifeln telefonisch sogar schon bis zum Gesundheitsministerium durchgedrungen ist: »Als Eltern von Kindern einer speziellen Risikogruppe sind wir eher ein wenig verunsichert, auch wenn wir grundsätzlich an den Impfschutz glauben. Behinderte Menschen leiden schließlich unter komplexen und unterschiedlichen, oft genetisch bedingten Krankheiten. Da kann man nicht einfach ins Impfzentrum bestellt werden ohne überzeugende Aufklärung unter Berücksichtigung von Diagnosen und Therapien.«

Die Diagnose

  • Wer bei »Dr. Google« danach suchen will, muss das folgende Diagnose-Latein eingeben: Monströse occipitale Cephalocele bei Mikrozepaluus.
  • Oder die Therapie: Resektion der Cele, partielle Reposition des Gehirns ysto peritoneale Ableitung re.


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