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Jürgen Männel

Ein wirklich alter Hase ist mit 'nem Motoroller unterwegs

Deutschlands ältester Osterhase feiert 55-jähriges Dienstjubiläum –und braust immer noch mit 7,4 PS durchs Land.

Dieter Melzer mit Tochter Karina als Sozia auf dem ostereigrünen Berliner Roller. Foto: Jürgen Männel

Dieter Melzer mit Tochter Karina als Sozia auf dem ostereigrünen Berliner Roller. Foto: Jürgen Männel

Weihnachtsmänner hat man schon oft motorisiert über die Pisten düsen sehen. Aber den Osterhase mit Frau auf einem Berliner Roller samt Anhänger, das ist deutschlandweit ein Phänomen/Novum. Und doch gibt es ihn und wird auf den langohrigen Gesellen in Nordsachsen, Hirschfeld und vielen anderen Dörfern und Städten der Umgebung sehnlichst vor Ostern und am Osterwochenende auf sein Vorbeikommen gewartet. Denn zumeist hat Meister Lampe nicht nur den Frühling sondern in der Kiepe seiner Gefährtin kleine Geschenke für jung und alt dabei.

»Schnee und Kälte gab es natürlich auch in den letzten 55 Jahren, seitdem ich es mache«, verrät der 74-jährige Rentner Dieter Melzer, der unter dem Kostüm steckt. »Aber das waren zumeist die Ausnahmen - ebenso wie kleine Pannen, bei denen uns bereitwillig weiter geholfen wurde.«

Fuhr der erste Osterhase von Hirschfeld 1951 noch mit dem Rad und verschwand dann spurlos im Wald, so hatten es seine Nachfolger leichter. Sie waren mit einigen PS unterm Fell landauf landab unterwegs: einer RT125, folgten die Awo, eine 175er sowie 350er Java (Melzers erster fahrbarer Untersatz), ein Moped Schwalbe, wieder eine 125er RT, ein S51 und später, seit 2003, der Berliner Roller mit dem dazugehörigen Anhänger Baujahr 1959. Das ostereigrüne Gefährt kann so zwischen 80 und 90 Sachen fahren. »Doch so schnell wollen wir gar nicht sein. Oft stehen die Anwohner schon an den Zäunen wollen einen Zwischenstop, uns mal ans Fellchen gehen, beim Umarmen prüfen ob auch wirklich alles echt ist. Das hat Meister Lampe alles gut durchgestanden.« Im Laufe der Jahre kam es zu weit über 1?500 Einsätzen und über 13?000 gefahrenen Kilometern. »Auch wenn sich vieles mit den Jahren änderte - das Anliegen, anderen Freude und ein bißchen Sonne ins Herz zu bringen, läßt mich und Tochter Karina als Häsin einfach nicht los und uns immer wieder in die aus dem Stoff einer alten Couchgarnitur und Requisiten der DEFA stammenden Kostüme schlüpfen.«

Viel Zeit für einen Besuch in seiner schmucken Behausung bleibt nicht, denn wie jedes Jahr gibt es lange vor dem Fest eine Probeausfahrt. Außerdem hat er gerade alle Pfoten voll zu tun mit dem Präparieren der 5. Kreation Ostwasserflaschen, dem Verpacken von Süßigkeiten und gehäkelten kleinen Osterhasen. Auch das Verschicken von 300 Osterkarten, mit Fotos aus der über 75-jährigen Erfolgsgeschichte von Meister Lampe, der aus einem kleinen Dorf in viele Orte der Umgebung aufbrach sowie die 100 Stück zählenden 5. Zollstock-Sonderedition 2023 wollen bewältigt sein. Viel Freizeit geht dabei drauf, weil sich die ersten schon zum Jahresanfang rühren und dann steht das »Osterhasentelefon« nicht mehr still. Aufwand und Kosten zu stemmen wachsen immer weiter. Aber der 74-jährige Ex-Bauunternehmer hofft, noch lange durch die Lande zu knattern.

Nie ist er übrigens zu Ostern weggefahren, denn „alle warten doch schon auf uns, säumen den Weg, wenn es heißt: der fahrende Osterhase kommt. Ohne Hilfe aus der Familie ging auch nix: der Schwiegersohn Steffen wartet den Roller, Frau Beate pflegt die Osterhasenbekleidung und macht was Leckeres zu Essen. Natürlich keinen Hasenbraten! Tochter Karina ist als als Osterhasenfrau mit auf dem Sozius, verteilt von dort Geschenke und bereitet alle Ausfahrten mit Akribie vor. Und wenn es mal nicht mehr geht? Dann will Enkel Lukas die lieb gewordene Tradition fortsetzen. Den Führerschein hat er sich selbst zu Ostern ins Nest gelegt.

Auch die Tourenplanung für die nächsten Wochen steht: Sie beginnt diesmal mit dem Frühlingsfest Schloß Zabeltitz, am 31. März steht der Geflügelhof Großenhain auf dem Zettel, diverse Seniorenheime und Kindergärten in nah und fern folgen in der Osterwoche, die Kinderkrebsstation im Cottbuser Krankenhaus ebenso wie der Besuch beim Raschützer Osterfeuer am 6. April oder am Ostersamstag die Stipvisite ins Elbecenter Meißen. Später weiter zum geplanten XXL-Riesenosternest in Frauenhain und dann noch die Abstecher ins Seniorenheim Gröditz und Adelsdorf. Am Ostersonntag bleibt er nicht weit von seinem »Hasenbau« und erfreut bei der Jubiläumsveranstaltung auf der dortigen Waldbühne Punkt 16 Uhr Groß und Klein. Zuvor aber macht er seine traditionelle Tour über die Dörfer Nordsachsens - hoffentlich bei bestem Wetter. So wie alle Jahre wieder.


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