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Wo die fleißigen Spüler spülen

Wissen Sie eigentlich, wer die Glühwein- und Punschtassen auf dem Striezelmarkt säubert? Wir waren dort

 Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt ohne Glühwein, Punsch oder heißen Kakao? Undenkbar. Voraussetzung für den Genuss sind saubere Tassen und Gläser. Wir haben die fleißigen Putzteufel hinter den Kulissen besucht und stellen erstaunt und beeindruckt fest: Da steckt eine tolle und hochmoderne Logistik dahinter. Geben Sie es ruhig zu: Bisher dachten Sie doch auch, dass in jeder Glühweinbude ein fleißiges Bienchen Tassen und Gläser im Akkord spült, oder? Und sicher können Sie sich nicht vorstellen, dass der Ausfall eines Computers im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass Ihr Wunsch nach einem Heißgetränk erst einmal unerfüllt bleiben muss. Doch der Reihe nach. Zunächst einmal: In den einzelnen Striezelmarktbuden wird schon lange nicht mehr abgewaschen. Wer würde auch gern in 65 Grad heißes Wasser fassen? Diese Temperatur schreiben die Hygienevorschriften fest – und das ist auch gut so. Wer will schon Schlieren des Vorgängers an die Lippen führen... Dass wir aus sauberen Tassen und Gläsern trinken, dafür sorgt Michael Andresen aus Bad Segeberg, Chef und Erfinder des Mehrweg-Logistiksystems „cup and more". Er ist übrigens auch der Besitzer der schicken neuen Striezelmarkttassen wie auch der Gläser für Eierpunsch und andere Wärmespender. Seine Kunden wiederum sind die Standbetreiber, die die Behältnisse von Andresen mieten. Aus den Verkaufseinnahmen finanzieren sie nicht nur das (heiße) Material und die Verkäufer, sondern auch die Serviceleistung „Tassen spülen" sowie den natürlichen Schwund, der sich ergibt, wenn die schicken Behältnisse kaputt gehen oder als Sammlerstücke in Besuchertaschen wandern. Dass keine Seite – weder „cup and more" noch die Standbetreiber – bei diesem Geschäft Minus macht, dafür sorgt Andresens ausgeklügeltes System. Denn jede im Umlauf befindliche Palette mit den jeweils 28 Tassen oder Gläsern ist genau dem Stand zuordenbar, der sie bestellt, benutzt, verschmutzt zurück geliefert und im Tausch wieder sauber erhalten hat. Erfasst wird das alles per Scanner, akribisch genau auf die Minute. Erfasst wird auch, welcher Runner (so heißen die Läufer, die sich durch das Marktgewühl mit lautem Rufen „Eine Rettungsgasse für den Tassen-Express" den Weg bahnen) das benutzte Geschirr geholt hat, wann diese Paletten durch die mobile Spülmaschine gelaufen ist, wer an selbiger gearbeitet hat und wann der Runner mit der sauberen Fracht zurück am Stand war. „Gibt es doch mal Beschwerden, können wir wirklich jeden Handgriff exakt nachverfolgen", erläutert Michael Andresen. Doch das käme sehr selten vor. Auf seine zwölf Runner sei bisher ebenso Verlass wie auf die drei Mädels, die die Spülmaschine im Akkord füttern. Schmutzpalette vorn rein, Behältnisse auf Beschädigung prüfen, saubere Paletten hinten entnehmen, defekte Tassen aussortieren. Jeweils zehn frische Paletten werden in einen „Tassenexpress" gestapelt. Der sieht auf den ersten Blick wie eine blaue Mülltonne aus, ist aber eine mit stabiler blauer Plastikplane verkleidete Sackkarre. Und wenn es schon um Zahlen geht: Mindestens 30.000 Striezeltassen und 10.000 Gläser sind täglich im Einsatz und drei Kubikmeter Wasser rauschen durch die Spülmaschine, an den Wochenenden sind es mindestens 20.000 Behältnisse und einige Liter mehr. Denn eins darf nie passieren: Stau am Glühweinstand, weil kein Gefäß zur Hand ist – oder Andresens Computersystem den Geist aufgegeben hat. Doch das wäre noch nie der Fall gewesen: „Ich habe mindestens zwei Laptops dabei", versichert er. Denn Michael Andresen ist mit seinen 48 Jahren ein erfahrener (Spül)Hase: Seit 2006, nach der Patentierung der Idee, die aus einer Partylaune heraus entstand, betreibt er das Geschäft professionell und bundesweit. Seine Putz-Taufe in Dresden erlebte der Norddeutsche 2013, als er beim Stadtfest erstmals für saubere Gläser sorgte.


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