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TKC–Baubeginn, Präsent 20, Arbeitertheater und stilles Ende

- Vor 50 Jahren -
Erich Honecker und TKC-Generaldirektor Kurt Bullan beim Eröffnungsrundgang 1969. Foto: Erich Schutt

Erich Honecker und TKC-Generaldirektor Kurt Bullan beim Eröffnungsrundgang 1969. Foto: Erich Schutt

Wenn das Wort "TKC" fällt, denken die jüngeren Cottbuser an ein Einkaufszentrum. Die etwas Älteren haben jedoch noch lebhafte Erinnerungen an den Betrieb im Norden der Stadt. Textilkombinat Cottbus: Das war nicht nur eine Arbeitsstätte für fast 5000 Menschen, überwiegend Frauen. Das TKC stand für Präsent 20, für die Feste der Textilarbeiter, für das Arbeitertheater und das Amateurfilmstudio. Das bittere Ende des größten Betriebes der Stadt Cottbus vollzog sich schnell, aber vergleichsweise still. Anders als hungerstreikende Kali-Kumpel ließen sich die Frauen der Textilindustrie nach der Währungsunion duldsam nach Hause schicken. Überraschend ist die Tatsache, dass sich auch die Geburt des großen Kombinats ohne großes propagandistisches Tamtam vollzog. Vor 50 Jahren, im Oktober 1968, erfolgte der erste Spatenstich. Erst sieben Monate zuvor hatte das SED-Politbüro die Errichtung eines Kombinats beschlossen. In der Lausitzer Rundschau gab es auf die Bauarbeiten kaum einen Hinweis. Diese öffentliche Zurückhaltung mag daran gelegen haben, dass für den neuen Betrieb zunächst hunderte Kleingärtner von ihren Parzellen vertrieben werden mussten, deren Schmerz man nicht durch Erfolgsmeldungen vergrößern wollte. Rasantes Bautempo Ab dem 2. Januar bauten die Monteure des VEB Industriemontagebaus Leipzig mit rasantem Tempo an der 78 Meter breiten und 234 Meter langen Produktionshalle1. Die Betriebschronik berichtet: "Am 30. Januar 1969 hebt der Autokran die Richtkrone auf das Dach der ersten Halle. Über 18.000 m2 Fläche sind trotz Frostwetter unter Dach. Das ist eine Weltbestleistung." In diesem Tempo ging es weiter. Schon im Mai begann die Versuchsproduktion. Die Aufgabenstellung für den Bau des Kombinats in der "traditionsreichen Textilarbeiterstadt" lautete: "Anlässlich des 20. Jahrestags der Gründung der DDR soll bereits der erste Teil der neuen Produktkapazität wirksam werden. Damit wird erstmalig die Produktion textiler Flächen nach das hochproduktiven Großrundstricktechnologie für Damen- und Herrenoberbekleidung und die Konfektionierung von Damenoberbekleidung aus Gestrick aufgenommen." Das erklärt die Baugeschwindigkeit. Wenige Tage vor dem Republikgeburtstag wurde die mediale Zurückhaltung aufgegeben. "Zu einem beeindruckenden Zeugnis der Schöpferkraft der Werktätigen unter Führung der Partei gestaltete sich gestern (29. September 1969) der Beginn der Großproduktion im neuen Textilkombinat Cottbus. Anlässlich eines Großmeetings übergab das Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK, Genosse Erich Honecker, das Automatisierungsvorhaben seiner Bestimmung." Die Superlative überschlug sich: "Welthöchststand", "Großer Tag für Cottbus" oder "Maßstäbe für die Verwirklichung der Strukturpolitik". Also Jubel ohne Grenzen. Davon kann ein Fördermittel übergebender Minister heute nur träumen. Spitzenprodukt und auf den Jahrestag zugeschnitten war das legendäre "Präsent 20". Die aus der Rundstrickfläche hergestellten Anzüge und Kostüme waren anfangs beliebt, begehrt und fast von jedem getragen.   Sozialpolitik und Wettbewerbsfähigkeit    Das TKC entwickelte sich rasch zu einem typischen sozialistischen Betrieb mit allen Vorzügen und Nachteilen. Das Nachwuchs bildete die eigene Betriebsberufsschule aus. Den Schichtarbeiterinnen standen Kaufhalle, Friseur und nächtliches warmes Essen zur Verfügung. Der Betrieb besaß Kindereinrichtungen. Die Krippe in der Inselstraße betreute ihre Schützlinge auch nachts. Kulturhaus, Haushaltstag, TKC-Poliklinik... Die Liste könnte fortgesetzt werden. Aber genau das war auch der größte Nachteil der DDR-Betriebe! All die Kraft, die in die Bewältigung der sozialpolitischen Probleme gesteckt wurde, fehlte dann letztlich bei der Wettbewerbsfähigkeit. Und das hatte gerade für das Textilkombinat böse Folgen. Die Gestrickproduktion lief auch dann noch auf vollen Touren, als die Nachfrage  auf den Weltmärkten zurück ging. Umstellungsversuche kamen zu spät. Mit der Währungsunion endete der Tauschhandel der DDR mit der Sowjetunion und China. Anzüge und Kostüme konnten nicht mehr gegen Rohstoffe getauscht werden. Kurz zuvor war prognostiziert worden, dass sich das Textilkombinat nur behaupten könnte, "wenn eine Anpassung an westdeutsche Standards gelingt, wobei die Stilllegung von Teilbereichen nicht zu vermeiden sein wird." Westdeutsche Standards: Das bedeutete auch das Ende von Betriebskitas, Filmklub und Betriebsferienlager. Kurz nach der DM-Einführung gingen die TKC Frauen nach Hause.


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