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Rosemarie Ackermann überwindet die Schallmauer

- Vor 40 Jahren -
Rosemarie Ackermann und Gunhild Hoffmeister beim Empfang auf dem Cottbuser Bahnhof nach den Olympischen Spielen in München. Foto: Stadtmuseum Cottbus

Rosemarie Ackermann und Gunhild Hoffmeister beim Empfang auf dem Cottbuser Bahnhof nach den Olympischen Spielen in München. Foto: Stadtmuseum Cottbus

Als Fa­zit zur Leicht­athletik-Weltmeisterschaft 2017 schrieb die Lausitzer Rund­schau nach den Tagen von London enttäuscht: „Deut­sche springen, werfen und laufen an Medaillen vor­bei“. Auch nach dem man die ärgsten Widersacher vom Felde geschlagen hatte, reichte es am Ende für die 71 Mitglieder der deutschen Mannschaft nur für Platz 10 im Medaillenspiegel, einen Platz hinter dem sogenann­ten „Neutralen Team“, ei­ner 19-köpfigen Resttruppe begnadigter russischer Ath­leten. In Cottbus, einstmals das Mekka des Frauenhoch­sprungs, blickt man tradi­tionsgemäß immer noch mit viel Interesse auf diese Disziplin. In London belegte Maria-Laurence Jungfleisch mit 1,95 Metern den 4. Platz. Da träumen sich die Nieder­lausitzer zurück an jenen 26. August 1977, als vor 40 Jah­ren im Westberliner Olym­piastadion die Schallmauer im Hochsprung der Frauen durchbrochen wurde. Die Rede ist natürlich von Ro­semarie Ackermann, gebo­rene Witschas, und ihrem le­gendären Zweimetersprung. Die sympathische Sportle­rin ist die wohl populärste Cottbuser Olympiasiegerin in der an Medaillensiegern reichen Stadt. Mitte August 1977 hatte Rosemarie beim Euro­papokalfinale in Helsinki die Latte erstmalig auf die Traumhöhe 2,00 Meter le­gen lassen, nachdem sie den Weltrekord vorher auf 1,97 Meter schraubte. Das war zwar noch nicht erfolg­reich, aber Heinz-Florian Oertel schrieb in „Diesmal ohne Mikrofon“: „Wie sie im blendenden Straddle die 1,97 m meisterte, war eine Augenweide. Als sie dann auf gut 2,00 Meter legen ließ, signalisierte sie eine historische Station im Frau­enhochsprung, und die drei Fehlversuche von Helsinki bewiesen, Rosemarie kann auch diese Höhe meistern.“ Darauf sollten die Cottbu­ser nicht lange warten. Die DDR- Leichtathleten berei­ten sich in diesen Tagen auf den Weltcup in Düsseldorf vor. Zur Vorbereitung auf diesen Saisonhöhepunkt starteten einige von ihnen am 26. August beim West­berliner ISTAF-Sportfest. Unter ihnen Rosemarie Ac­kermann. Die ISTAF-Teil­nahme war für sie ein Auf­bauwettbewerb, eine Form­überprüfung. Dennoch lag knisternde Spannung im Stadionrund, als der Hoch­sprungwettbewerb begann. Promis und Journalisten fragen die Sportlerin, ob es den heute passieren würde. Der im Stadioninnenraum anwesende legendäre Show­master Hans Rosenthal wies auf die Startnummer der DDR-Hochspringerin hin. „Frau Ackermann, Sie haben die Nummer 20. Da müssen wir nur noch das Komma einsetzen!“ Kurz nach 20 Uhr ließ die Cott­buserin die Latte auf die Weltrekordhöhe von zwei Metern legen. Genau um 20.14 Uhr übersprang Ro­semarie Ackermann die als Schallmauer des Frauen­hochsprungs geltende Mar­ke im ersten Versuch. Da das ISTAF-Sportfest für Rosemarie als Aufbauwett­bewerb gedacht war, fand es in der DDR zunächst keine große Beachtung. Aus die­sem Grund war auch das DDR-Fernsehen bei dem sensationellen Sprung nicht dabei. Für die zweite Ausga­be der „Aktuellen Kamera“ mussten teure Bilder beim „Klassenfeind“ gekauft werden. Auch in der mit sportlichen Rekorden ver­wöhnten DDR stellte Rosi Ackermanns Sprung etwas ganz Besonderes dar. Das Foto der Cottbuserin vor der Anzeigetafel ging um die Welt. Die „Lausitzer Rundschau“ vom 27. August 1977 mel­dete den Triumph der SCC-Sportlerin auf der Titelseite: „Als erste Frau der Welt überquerte die Cottbuserin im Hoch­sprung 2.00 m und verbes­serte mit diesem phantasti­schen Weltrekord ihre Re­kordmarke, die sie vor zwei Wochen beim Europacup-Finale in Helsinki aufgestellt hatte, um drei Zentimeter.“ Die internationale Sportwelt war von dieser Leistung, zu­mal im damals schon fast sel­ten gewordenen „Straddle“ erreicht, absolut begeistert. Die Lausitzer Rundschau fragte drei Tage nach dem Rekord: „Werden die zwei Meter zum Denkmal?“ Sie wurden es nicht! Sara Se­mioni übersprang ein Jahr später 2,01 Meter und Ulri­ke Meyfahrt brachte es 1983 auf 2,03. Und zehn Jahre später, bei der Leichtath­letik-Weltmeisterschaft in Rom 1987, erreichte Stefka Konstandinowa mit 2,09 den bis heute gültigen Welt­rekord. Doch zurück zu Rosi Ac­kermann. Die Menschen kennen die Hochsprung-Olympiasiegerin als beschei­dene Sportlerin. Mit großer Mehrheit wählten die Fans sie 1977 zur „Sportlerin des Jahres“ in der DDR und dann zur besten Europä­ischen Sportlerin. Rosemarie Ackermann ist ein Kind der Lausitz. In Lohsa bei Hoyerswerda 1952 geboren, bereitete sie sich zunächst in der Kinder- und Jugendsportschule in Forst und dann später beim SC Cottbus auf die sportli­chen Höhenflüge vor. Nach der Karriere arbeitete die ehemalige Spitzenleichtath­letin bis zum Ruhestand bei der Cottbuser Agentur für Arbeit in der Bahnhofstra­ße. Am 4. April feierte Rosi, deren Wartburg früher das Kennzeichen Z - RA 200 trug, einen runden Geburts­tag. Dazu nachträglich die besten Wünsche!


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