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Krieg ist aus–Verlorene Kriegsanleihen, Hunger, Soldatenräte

- Vor 100 Jahren -
Kriegsgefangenenlager in Sielow: Aus der aktuellen Sonderausstellung des Cottbuser Stadtmuseums

Kriegsgefangenenlager in Sielow: Aus der aktuellen Sonderausstellung des Cottbuser Stadtmuseums "[...] das ist der Krieg, alles Teufelswerk." Foto: Stadtmuseum Cottbus

Der Weltkrieg von 1914 bis 1918 verschlang nicht nur die Blüte der europäischen Jugend. Zehn Millionen Männer starben, in Flandern von Granaten zerfetzt, am Skagerrak ertrunken oder bei der Winterschlacht in den Karpa­ten gefallen. Der Krieg kostete auch sehr viel Geld. Finanziert wurde das Massensterben im Deutschen Reich durch Kriegsanleihen. Das sind sozu­sagen Kredite, die die Bevölkerung eines Landes ihrer Regierung gibt, mit dem Versprechen, bei Kriegsende die Rückzahlung mit ordentlichen Zinsen vorzunehmen. Das setzte natürlich den militärischen Sieg voraus. Im Deutschen Reich gab es insgesamt neun Kriegsanleihen, die 164 Milli­arden Mark (fast eine Billion in Euro) einbrachten und mehr als die Hälfte der Kriegskosten deckten. Noch im Oktober 1918 warben beide Cottbuser Blätter, der Anzeiger und die sozialdemokratische Märkische Volksstimme mit erstaunlicher Raffi­nesse für die Kriegsanleihen. Als sich die Niederlage bereits abzeichnete, lasen die Abonnenten noch: „Kein Deutscher darf zö­gern. Die Kriegsanleihe wird dem Feind gegenüber Zeug­nis ablegen vom ungebroche­nen Glauben an unsere gute Sache.“ Bei der Werbung für die Kriegsanleihen entstanden die Grundlagen für die moderne Werbepsychologie. Besonders der Einsatz von Kinderbildern fand erstmalig in der Propaganda massenhaft Anwen­dung und ist seitdem aus der Bericht­erstattung bei der Einteilung von Gut und Böse nicht mehr wegzudenken. Bei den Kriegsanleihen sei das Ende vorweggenommen: Stadtverordne­tenvorsteher Max Grünebaum nahm den Cottbusern Weihnachten 1918 die Illusion über eine Rückerstattung der Kriegsanleihen: „Es ist nicht an­zunehmen, dass Reich und Staat ihren Versprechungen auf Rückzahlung aller der zugesagten Kriegsanlagen nachkommen werden und können.“ Der Cottbuser Unternehmer behielt Recht. Auf dem Höhepunkt der Infla­tion waren die gesamten 164 Milli­arden Mark der Kriegsanleihen noch 16 Pfennig wert und verfielen mit der Einführung der Rentenmark 1923. Cottbus im November 1918 Im Unterschied zum April 1945, als in Cottbus Chaos herrschte und es we­nig schriftliche Quellen gibt, sind die Ereignisse vom November 1918 in der Stadt bestens dokumentiert. Während der Waffenstillstandsverhandlungen, der Abdankung des Kaisers und der beginnenden Novemberrevolution er­schienen zwei Tageszeitungen, spielte das Stadttheater, tagten die städti­schen Gremien. Der Cottbuser Anzei­ger rief dazu auf, Weihnachtspakete für „die Märker im Felde“ zu packen. Die enormen Versorgungsschwierig­keiten, in Cottbus besonders bei Brot und Kartoffeln, wurden in den Zei­tungen offen behandelt. Noch am 25. Oktober gab es verhalten po­sitive Berichte vom Kriegsgesche­hen: „Feindliche Angriffe überall abgeschlagen!“ Dann am 30. Oktober: „Abfall unserer letzten Bundesgenossen!“ Die Märkische Volksstimme fragt vier Tage spä­ter „Wird der Kaiser abdanken?“. Danach ging es Schlag auf Schlag, aber mit unterschiedlicher Wer­tung: Der Cottbuser Anzeiger mel­det erschrocken: „Thronverzicht des Kaisers – Deutschland ist eine sozialistische Republik – Liebknecht am Kaiserfenster“. Die Volksstimme triumphiert: „Sieg auf der ganzen Linie“. In diesen Tagen erreichten aber die Waffenstillstandsbedingun­gen der Entente die Menschen in der Niederlausitz. Die wurden auch von der sozialdemokratischen Zeitung als „sehr hart, schlimmer fast, als bisher befürchtet“ eingeschätzt. „Cottbus in der Gewalt eines Soldatenrates“ Am 12. November gesteht der Cott­buser Anzeiger seinen Lesern, dass man in der Berichterstattung „mit den überstürzenden innenpolitischen Ereignissen nicht mehr Schritt halten kann.“ Aber soviel stand fest: „Nach Verhandlungen mit dem Garnisons­kommando war die Befehlsgewalt auf den inzwischen konstituierten Solda­tenrat übergegangen.“ Auch in Forst, Lübben und Guben waren Arbeiter- und Soldatenräte gebildet worden. Die Revolution erreichte die Niederlausitz. Die Stadtverwaltung arbeitete jedoch weiter. Oberbürgermeister Hugo Drei­fert blieb Herr der Lage. In der neuen Republik und auch in Cottbus wurde dann der Kriegsschuld­artikel des Versailler Vertrages heftig diskutiert: „Die alliierten und assozi­ierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, dass Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind …“. Auch die Mehrheit der Cottbuser be­trachtete diese Regelungen als illegitim und demütigend. Von der aufkommenden Nazipartei wurde der „Schandvertrag“ dann hemmungslos und dem­agogisch für die Vorbereitung eines erneuten Krieges ausge­nutzt.


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