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Direktwahl 1993 Souveräner Sieger & sympathische Verliererin

- Vor 25 Jahren -
Wahlkampfhilfe aus Bayern: OB Kleinschmidt im November 1993 mit Nationalmannschaftskapitän und Weltmeister Sepp Maier. Foto: lew

Wahlkampfhilfe aus Bayern: OB Kleinschmidt im November 1993 mit Nationalmannschaftskapitän und Weltmeister Sepp Maier. Foto: lew

Herbst 1993: Nelson Man­dela und Frederik de Klerk erhielten den Friedensno­belpreis. Bundesgesundheits­minister Horst Seehofer löste wegen HIV-verseuchter Blutprä­parate das Bundesgesundheitsamt auf. Und „Gentleman“ Henry Maske verteidigte in Düsseldorf den IBF-WM-Titel im Halbschwergewicht gegen Anthony Hembrick. Energie spielte in der Oberliga Nordost. Es ist das letzte Jahr vor Eduard Geyer. Noch ahnte die Fußballwelt nichts vom bevorste­henden Wunder aus der Lausitz. Aber die Stadt ist im Aufbruch. An allen Ecken und Enden legten die Cottbuser Grundsteine, feierten Richtfeste und Eröffnungen: Die Landeszentralbank, Lausitz-Park und Cottbus-Center, Fernsehturm, Hotels, Banken, Schloss­kirchquartier, Autobahn. Eine Baustelle allerdings, von der sich im Herbst 1993 zunächst nur erste Konturen abzeichneten, sollte in den folgenden Monaten und Jahren das Lebensgefühl der Cottbuserinnen und Cottbuser bestimmen, das Gartenschaugelände an der Spree. Die Stadt hatte sich nach der politischen Wende kühn um die Ausrichtung der BU­GA 95 beworben und hatte tatsächlich – allen Widerstän­den zum Trotz – den Zuschlag erhalten. Wahlen im Zeichen der BUGA Der entscheidende Mann, der die­ses Projekt mit unnachahmlichem Schwung durchgesetzt hatte, war Oberbürgermeister Waldemar Klein­schmidt. Den CDU-Mann hatte die Stadtverordnetenversammlung im Mai 1990 an die Spitze der Verwaltung gewählt. Nun, im Herbst 1993, vor 25 Jahren, stand der Wahlkampf für die ersten Kommunalwahlen nach der Ge­meindeordnung des Landes Branden­burg auf der politischen Tagesordnung. Zu den Wahlen 1990 gab es zwei wichtige Unterschiede. Das Stadtpar­lament sollte auf 50 Stadtverordnete verkleinert werden und den Ober­bürgermeister konnten die Cottbuser direkt wählen. Thema im Wahlkampf war natürlich in erster Linie der massive Abbau in­dustrieller Arbeitsplätze, auch in Cott­bus nur teilweise abgefedert durch die Ansiedlung von Behörden, Gerichten und die beiden Hochschulen. Disku­tiert wurden die Erhaltung preisgünsti­gen Wohnraums und die Wahrung der Mieterrechte. Die BUGA-Vorbereitung gab der Stimmung jedoch positive Impulse. Die Cottbuser sahen hier die Verbindung zwischen dem Garten­künstler Pückler, dem Stadtverschö­nerungsverein und ihren geliebten Kleingärten hergestellt und packten überall mit an. Viel spürten die Menschen vom Wahlkampf nicht: Vergleichsweise wenig Plakate und noch weniger Bei­träge in den hiesigen Blättern, selten Aufrufe der Parteispitzen zur Wahlteil­nahme. Die Doppelwahl am 5. Dezember überraschte das politische Cottbus. Die PDS, Vorgänger der heutigen LINKEN, erreichte 14 der 50 Man­date und zog gleich zur SPD. Das war vier Jahre nach der Wende so nicht erwartet worden. Auch des­halb nicht, weil die wichtigen Medi­en, auch die öffentlich-rechtlichen, einhellig Position gegen die SED-Nachfolger bezogen hatten. Ebenso überraschend auch das Ergebnis des ersten Wahlgangs bei der OB-Direktwahl: Die SPD hatte nicht, wie erwartet, den knorrigen, aber beliebten Werner Labsch aufgestellt, sondern Wolfgang Bomsdorf. Und der belegte dann Platz 3 und war damit nicht für die Stichwahl qualifiziert. Zweite, nach Sieger Waldemar Klein­schmidt, wurde Kerstin Bednarsky, die Kandidatin der PDS. Fairer Wahlkampf Der folgende kurze Stichwahlkampf zweier honoriger Persönlichkeiten kam ohne Beleidigungen und Verdäch­tigungen aus. Anders als in Potsdam konnte hier das MfS seine späte un­heilvolle Wirkung nicht entfalten. Die Lausitzer Rundschau berichtete aus dem Rathaus: „Kurz nach 18 Uhr gab‘s dann die erste Prognose im Fernsehen, wonach Waldemar Kleinschmidt ein­deutiger Wahlsieger war.“ Erste Gra­tulantin war die „sympathische und faire Verliererin Kerstin Bednarsky.“ Der alte und neue OB dankte seiner Mitbewerberin. Die Fairness im Wahl­kampf sei ein gutes Zeichen für die junge Demokratie. Das haben die nach­folgenden Wahlkämpfer nicht immer beachtet. Nach den Wahlen im Dezember 1993 begann dann die beste Zeit für Cott­bus. Waldemar Kleinschmidt ist einer der wenigen der im Osten so zahl­reichen Kleingärtner, der sich einen großen Gartentraum erfüllen konnte. Die Organisatoren der BUGA 95 setz­ten unter seiner Leitung an der Spreeaue die von Pückler begründete bedeutende Cott­buser Gartentradition fort. P.S.: Am Tag nach der Kom­munalwahl vom 5. Dezember traten die im Sommer be­schlossenen Eingemeindungen in Kraft. Branitz, Dissenchen, Döbbrick, Kahren, Sielow und Willmersdorf wurden Cottbu­ser Stadtteile. Die Einwohner­zahl erhöhte sich noch einmal auf 128000.


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