Die erste Wahl des Cottbuser Stadtparlaments nach dem Krieg
Die Niederlage des kaiserlichen Heeres und seiner Verbündeten im November 1918, die Abdankung Wilhelms I. und die Novemberrevolution waren auch für Cottbus eine bewegte Zeit. Mitte November entstand aus dem Soldatenrat und dem Arbeiterrat der Arbeiter- und Soldatenrat Cottbus. Einer der beiden Vorsitzenden war Carl Wendemuth, der Redakteur der Cottbuser Märkischen Volksstimme. Während überall das alte System zusammenbrach, blieben die kommunalen Vertretungen weitgehend intakt. Die Cottbuser Stadtverwaltung mit Oberbürgermeister Hugo Dreifert ging flexibel auf die Forderungen des Arbeiter- und Soldatenrates ein und bot sogar zwei besoldete Stellen für die Ratsmitglieder an. Die Lage der Cottbuser Einwohnerschaft war denkbar schlecht. Lebensmittel und Heizmaterial mussten rationiert werden. Viele Familien hatten im Krieg den Ernährer verloren. Andere Cottbuser waren noch in Kriegsgefangenschaft. Beängstigend waren die ersten Gerüchte von alliierten Bedingungen bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Spa: Die Aufrechterhaltung der Lebensmittelblockade, die Räumung von Elsass-Lothringen, der Verlust der Kolonien, die Besetzung des Rheinlandes und jährlich 15 Milliarden Kriegsentschädigung und das 50 Jahre lang. Zwei entscheidende Wahlen In dieser Situation wurden die Cottbuser an die Wahlurnen gerufen. Am 19. Januar standen die Wahlen zur Nationalversammlung an und am 2. März ging es um die Sitze in der Stadtverordnetenversammlung am Altmarkt 21. Die Januarwahlen führten zur Weimarer verfassungsgebenden Nationalversammlung. Der Rat der Volkskommissare sollte durch eine legitime Regierung abgelöst werden. Erstmals waren Frauen wahlberechtigt. Der Cottbuser Anzeiger stand für den bürgerlichen Block. Die SPD und ihre Märkische Volksstimme, die sich im Wahlkampf mit den bürgerlichen Parteien und den „Spartakisten“ auseinandersetzten, versprachen „die freieste republikanische Verfassung, die irgend ein Volk der Welt besitzt“. Die Unruhen im ganzen Land gipfelten in Berlin im Spartakusaufstand und in der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. In Cottbus blieb es bei verbalen Auseinandersetzungen in den beiden Zeitungen. Das Wahlergebnis sah dann ganz klar den SPD-Kandidaten Otto Wels vorn. Er erhielt in Cottbus-Stadt 16776 Stimmen, mehr als die bürgerlichen Parteien und die USPD zusammen. Im Reichsmaßstab siegte die SPD ebenfalls klar, war aber mit 37,9 % auf Koalitionspartner angewiesen. Dieses gute Ergebnis galt es nun bei den Wahlen zum Cottbuser Stadtparlament zu wiederholen. Beide Seiten, die bürgerliche und die sozialdemokratische, fürchteten sich vor dem Rückgang der Wahlbeteiligung. „Gerade die Stadtverordnetenwahlen“, schrieb der Anzeiger, „aber sind in ihren Folgen für jeden Einzelnen viel einschneidender, als die Reichs- und Landeswahlen.“ Mit dem Ergebnis waren beide Seiten dann auch nicht ganz zufrieden. Die SPD erhöhte zwar die Zahl ihrer Stadtverordneten von 1 auf 22. Aber sie stand einer kleinen Mehrheit der beiden bürgerlichen Listenverbindungen gegenüber, die es auf 23 Sitze brachte. Ursachenforschung in der Volksstimme: „Die Lauheit eines großen Teils der Cottbuser Arbeiterschaft“. Eine rundum positive Folge: „Zum ersten Male wird unser Stadtparlament neben den Stadtvätern auch Stadtmütter sehen, und zwar fünf an der Zahl.“ Die erste Tagung des städtischen Parlaments fand am 28. März statt. Hugo Dreifert wurde erneut als Oberbürgermeister gewählt. Hundert Jahre danach Sowohl das bürgerliche Lager als auch die Märkische Volksstimme beklagten 1919 eine „Erscheinung der Wahlmüdigkeit“. Von den 32207 Wahlberechtigten beteiligten sich 1919 „nur“ 21440 Cottbuser. Eine Wahlbeteiligung von 66,57 % wäre bei den bevorstehenden Kommunalwahlen im Mai 2019 eine kleine Sensation. (2014 - 39,7 %) Die Gründe dafür werden in Studien dargelegt und von wissenschaftlichen Instituten erforscht. Die Eliten in diesem Land, die viel über die Menschen im Osten gesprochen haben, aber seltener mit ihnen, zerbrechen sich den Kopf über die Wähler in den neuen Ländern. Dabei ist die Sache gar nicht so schwierig. Die Ostdeutschen wünschen sich wohl in ihrer Mehrheit Politiker und Parteien, die mit Maß und Mitte an die Dinge herangehen, die nicht fremdenfeindlich oder gar rassistisch sind, aber auch nicht bedingungsloser Toleranz das Wort reden. Sie sind nur schwer zu überzeugen, die gendergerechte Sprache, antikolonialistische Faschingskostüme und die Toiletten für das dritte Geschlecht für überlebenswichtig zu halten.