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Die Eisenbahn, die Welt und ein Brief des Fürsten Pückler

Einer der am häufigsten verwendeten Begriffe in unserer Zeit ist die Globalisierung. Er wird zwar erst seit dem Ende des 20. Jahrhunderts gebraucht. Der Inhalt jedoch, die internationale Verflechtung in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt und Kommunikation, ist so neu nicht. Heute sind die internationalen Verbindungen durch Internet, Satelliten und IT-Technik beschleunigt und verfeinert.
Cottbuser Bahnhof, errichtet 1870, Stadtarchiv Cottbus

Cottbuser Bahnhof, errichtet 1870, Stadtarchiv Cottbus

Angefangen aber hat alles mit dem Sturmlauf der Eisenbahn. Die großen Globalisierungsprozesse, die schnelle Nachrichtenübertragung, die Möglichkeit, Menschen und Güter rasch an jeden Punkt der Erde zu befördern und die gewaltigen Migrationsströme, entwickelten sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das alles traf auf die Stadt Cottbus zu. Nach dem Eisenbahnanschluss begann ein beispielloser Aufschwung. Anfang des 20. Jahrhunderts konnte man vom Staatsbahnhof Cottbus aus nach Lissabon, Peking oder Bagdad reisen. Die Cottbuser Tuche gingen über alle Meere. Oberbürgermeister Paul Werner studierte in den USA die dortige Wirtschaftsförderung. Und, nicht zu vergessen: Tausende Niederlausitzer machten sich auf den Weg in die Welt. Sie suchten in Amerika, Russland und Australien eine neue Heimat. Andere kamen und wurden Cottbuser. Gab es bei all den Veränderungen und Neuerungen keinen Widerstand? Bildeten sich gegen Eisenbahn, Stromnetz und Gasbeleuchtung keine Bürgerinitiativen, protestierten Wutbürger? Im „Cottbuser Anzeiger“ finden wir davon nichts! Allerdings gab es eine Ausnahme. Als sich die Cottbuser Eisenbahnpläne konkretisierten, wurde auch Hermann von Pückler mit dem Thema konfrontiert. Der Fürst stand dem Fortschritt sehr offen gegenüber. Für einen Reiseschriftsteller war die rasche Überwindung großer Distanzen ja von Bedeutung. Schon 1816 sah Pückler Berlin und Potsdam von oben, als er eine Ballonfahrt unternahm. Danach war er zu Pferde und mit dem Segelschiff um die halbe Welt gereist. Seine erste Eisenbahnfahrt unternahm Pückler 1841. Seinem Tagebuch vertraute er an: „Es freut mich, einen solchen Fortschritt des civilisirten Comfort noch erlebt zu haben.“ Deshalb nahm der Cottbuser Ehrenbürger sicherlich die Ankündigungen für den Eisenbahnanschluss von Cottbus mit Wohlwollen auf. Als er allerdings 1864 von der geplanten Streckenführung hörte, verging ihm das Lachen. Die vom König genehmigte Planung für die Eisenbahnlinie Berlin-Cottbus-Görlitz führte mitten durch seinen Park. Groß war der Zorn Pücklers, als Ingenieure der englischen Eisenbahngesellschaft, die mit Vermessungsarbeiten für die Bahntrasse beauftragt waren, in seinem Gartenkunstwerk auftauchten. Aber wir wissen ja, dass die Bahnlinie heute am Park vorbeiführt. Pückler wäre nicht Pückler, wenn er nicht seine Beziehungen nach Potsdam gehabt hätte. Also schrieb er dem König: „Euer Majestät werden mir verzeihen, wenn ich mich in meiner großen Not, in die mich das calamitruse Projekt – ohne alles wahre Bedürfniß durch meinen Park die Bahn zu führen – versetzt, direkt an Eure Königliche Majestät wenden muß; denn von Allerhöchst dero Einschreiten darf ich allein sichere Hülfe erwarten. Eine Schaar fremder Arbeiter …hat, ohne sich nur bei mir zu melden, angefangen, wie auf ihrem Eigenthum, Linien abzustecken, dabei sogar zu größerer Bequemlichkeit Bäume zu fällen, und nur durch meine persönliche Dazwischenkunft habe ich den Ingenieur vermocht hiermit aufzuhören ... Ich rufe daher für mich, wie, ich darf wohl sagen, im Interesse der ganzen Provinz, Euer Majestät Mitleid an, mich durch gnädige Einschreitung von einer so herben Calamität zu befreien, was ja doch nur von Euer Majestät ausgesprochnen Willen abhängt. Hat sich in den höchsten Dingen ganz Europa vor diesem energischen Willen gebeugt, so wird eine arrogante englische Eisenbahndirektion, sich doch wohl nicht unterstehen dürfen, auch nur einem Wunsche Euer Majestät einen Augenblick ihre Zustimmung zu versagen.“ Wir Heutigen wissen, wie mit Petitionen aus der Provinz in Potsdam umgegangen wird. Nicht so 1864! König Wilhelm I. hatte ein Herz für die Kulturschätze in der Niederlausitz und die Befindlichkeiten der Menschen. Er legte fest, dass der Branitzer Park nicht angetastet und die Bahn an ihm vorbeigeführt wird. Vergleichbare Briefe an den König, respektive an die gegenwärtigen Obrigkeiten in der Landeshauptstadt, haben bei einem der heutigen „calamitrusen Projekte“, der Einkreisung der Stadt Cottbus, bisher nicht ein solch positives Ergebnis.


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