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Das erste Auto - In Cottbus beginnt das automobile Zeitalter

- Vor 125 Jahren -
Entspannte Parkplatzsituation Ende der Zwanziger auf dem Altmarkt.

Entspannte Parkplatzsituation Ende der Zwanziger auf dem Altmarkt.

Die Cottbuser Automobil­geschichte ist nicht ohne Kuriositäten. Heute fast unvorstellbar ist der Verkaufs­parkplatz in der DDR-Zeit, zuerst Am Doll und später in der Peitzer Straße. Der Mangel an fahrbaren Un­tersätzen und die lange Wartezeit he­belte die normalen Marktgesetze aus und ließ Platz für Spekulation und Wu­cherei. Und das alles unter den Augen des sonst so pingeligen Staates. Für den fünf Jahre alten Trabi legte der In­teressent gern 5000 Mark mehr als für den Neupreis hin, wenn er nur schnell an ein Auto kam. Entsprechend wurde der Liebling dann behandelt. Am Wo­chenende robbte der Besitzer mit dem Staubsauger durch sein Gefährt und stellte sich am Muskauer Platz in die Tankstellenschlange. Ab November 1989 dann wurde auch Cottbus von einer Welle verros­teter Westautos überschwemmt. Die häufig geprellten Ossis revanchierten sich bei den Falschen. Sie verkauften ihre Wolgas, Mossis und Trabanten an die Offiziere der abziehenden so­wjetischen Streitkräfte. Das ist zwar vorbei. Ärger mit dem Auto gibt es in Cottbus aber noch genug. Und der reicht von Parkknöllchen, über Blitzer­fotos bis zu Skandalen der hoch gelobten Firmen. Anders als bei jugendlichen Schlägern verfolgt Vater Staat Sünden der Autofahrer rigoros. Und das alles be­gann für Cottbus am 1. Mai 1893, vor 125 Jahren, vor dem Hotel Ansorge am Altmarkt (heute Handwerkskammer). Dort parkte ein von Carl Benz konst­ruierter Wagen, der noch Ähnlichkeit mit Fahrrad und Kutsche hatte, aber als Patent-Motorwagen Nr. 3 das erste Auto war, dass man in Deutschland kaufen konnte. 2,5 PS und 20 km/h Das Gefährt hatte, je nach Ausfüh­rung, zwischen 1000 und 2000 ccm bei 2,5 PS und erreichte 20 km/h. Der Parkplatz war wohl nicht nur wegen des noblen Hotels gewählt. Der Fahrer konnte sich in der gegenüberliegen­den Apotheke auch mit Treibstoff eindecken, denn Tankstellen gab es noch nicht. Kostenpunkt der vierräd­rigen »Benzine«: 4000 Goldmark. Der Cottbuser Anzeiger berichtete, dass die vier Reisenden für die Strecke Forst - Cottbus eine Stunde und 15 Minuten brauchten und kündigte für den kommenden Tag eine Rundfahrt des »neuerfundenen Vehikels« im Stadtzentrum an. Die neue Technik erklärte die Zeitung so: »Von den hin­teren Sitzplätzen aus wird das Gefährt durch eine Hebelvorrichtung gelenkt und dies geschieht mit großer Leich­tigkeit. Zwischen den Hinterrädern ist in einem unten offenen Kasten der Benzinmotor angebracht, welcher die treibende Kraft ist. Diese wird dadurch erzeugt, dass die Benzindämpfe durch elektrische Funken entzündet werden. Letztere werden von einem Ac­comolator hergeleitet, welcher unter dem Hintersitze des Wa­gens angebracht ist. Verschwin­dend kurze Zeit nachdem das Benzin eingefüllt ist (hierbei bemerken wir, dass 5 kg Benzin für eine Wegstrecke von zirka 100 bis 120 Kilometer ausrei­chen) kann der Wagen auch bereits in Bewegung gesetzt werden.« Für die Cottbuser soll es »ein eigenartiger Anblick« gewesen sein, »das kremser­ähnliche, mit einem Schutzdach versehene vierrädrige Gefährt in großer Geschwindigkeit und fast völlig lautlos« zu sehen. Das erste Auto muss also noch recht leise ge­wesen sein. Und obwohl der Anzeiger vermutet, dass bald 40 Wagen für die Postverwaltung angeschafft würden, verbreitete sich das Auto in der Nie­derlausitz recht langsam. Im Jahr 1938, 50 Jahre nach der Erfindung von Benz, als in den USA schon ein Auto auf 3,9 Einwohner kam, betrug das Verhältnis hierzulande noch 1:98. Danach wurde jedoch rasch zugelegt. Autoboom auch in Deutschland Vor der Wende hatten 97 Prozent der Westhaushalte ein Auto. Im Osten wa­ren es 52 Prozent. Heute sind allein in Cottbus fast 50 000 PKW zugelassen. Eine der wenigen positiven Seiten des Autobooms in der Nachkriegszeit be­steht dann auch darin, dass deutsche Weltgeltung im Ausland nicht mehr mit Soldaten im Stechschritt und Pan­zern mit Raubtiernamen verbunden ist, sondern mit den Karossen aus Stuttgart und München. Aber zurück zu Carl Benz und den ersten Autos. Damals war der Antrieb durch Otto- und Dieselmotoren kei­neswegs der einzige Weg. In Frank­reich und in Amerika wurde mit Dampffahrzeugen ohne Schienen experimentiert. In Russland und Deutschland existierten Elektroautos zeit­gleich mit Benz als Prototypen. Aber die Motoren von Benz und Daimler brachten mehr Leistung auf die Straße und setzten sich letztlich durch. Interessant zu wissen, wo die Technik heute stünde, wenn mit dem gleichen finanziellen und geistigen Aufwand wie am Benzinmotor an Batterien ge­arbeitet worden wäre.


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