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Das Cottbuser Kinosterben-Glanz, Elend & Auferstehung

- Vor 20 Jahren -
Werbung zur Eröffnung der Kammerlichtspiele im Cottbuser Anzeiger. Foto: Stadtarchiv Cottbus

Werbung zur Eröffnung der Kammerlichtspiele im Cottbuser Anzeiger. Foto: Stadtarchiv Cottbus

Die Filmzeitschrift Cinema schrieb im März 1998, dass der Film "Flubber" antiquiert und unnütz sei. Und mit genau dieser wenig anspruchsvollen Klamotte endete vor 20 Jahren das Kapitel Kammerlichtspiele in Cottbus. Hier, an der Oberkirche, war aber seit acht Jahrzehnten Cottbuser Kinogeschichte geschrieben worden. Gérard Philipe war hier zu Besuch. Ende der Siebziger sah man die deutsche Fassung von "Im Westen nichts Neues" und zehn Jahre später kam das sowjetische Drama „Geh und sieh!“ auf die Leinwand. Die Cottbuserinnen und Cottbuser hatten hier tolle Filmerlebnisse: "Alfons Zitterbacke", später "Karbid und Sauerampfer" und "Die Legende von Paul und Paula". Egon, Benny und Kjeld erlangten Kultstatus. In den Kammerlichtspielen gab es großes Kino und zuletzt gehörte das Haus auch zu den Spielstätten des Cottbuser Filmfestivals. Erstes Kino am Neumarkt Das traditionsreiche Kino war nicht das erste in Cottbus. Im April 1907 eröffnete das "Kinematographentheater" Metropol am Neumarkt 5, dort wo sich heute das Rathaus befindet. Kino Nr. 2 etablierte sich neben dem Hotel zum Weißen Roß in der Berliner Straße, später Corso-Lichtspiele genannt. Über das dritte Lichtspielhaus schrieb der Cottbuser Anzeiger 1911: "In der Kaiserstraße an der Ecke der Roßstraße ist dem neuen Kinematographentheater Weltspiegel ein prächtig ausgestattetes Haus errichtet worden. Gestern fand vor geladenem Publikum eine Probevorstellung statt, die den mit gediegener Eleganz ausgestatteten Zuschauerraum bis auf den letzten Platz füllte." Nach dem I. Weltkrieg kamen dann die Neue Welt in Ströbitz und die Schaubühne in Sandow dazu. Insgesamt gab es 1.800 Plätze in einer Stadt mit knapp 50.000 Einwohnern. Entgegen den heutigen Vermutungen war das Kinovergnügen nicht ganz billig. Im Weltspiegel kostete damals eine Karte der mittleren Kategorie 50 Pfennig, das sind umgerechnet vier Euro, also durchaus mit der Gegenwart vergleichbare Preise. In den Cottbuser Kinos erlebten die Filmfreunde "Den Totentanz", "Die Sünden der Väter" und "Den fremden Vogel". Filmheldinnen waren Asta Nielsen, Henny Porten und Hanni Weisse. Auch in Cottbus war das Kino keineswegs unumstritten. Die Lehrerschaft legte OB Werner eine Protestschrift vor: "Gerade bei der Jugend lassen sich die schädlichen Einflüsse des  Kinematographen am greifbarsten nachweisen. Die Schülervorstellungen (im Theater), die gute Klassikervorstellungen für einen Eintritt von 20 Pfg. bieten, waren einst überfüllt. Sie bleiben jetzt, seit der Aufnahme der Kinos, ganz leer... Die im Zeitalter des Telephons und der Elektrizität überreizten Nerven verlangen überreizende Sensationen, der Nervenkitzel wird gern gesucht und gern gewährt." Sie verlangten deshalb die "strenge Zensur, hohe Lustbarkeitssteuern, möglichst eine Erdrosselungssteuer, öffentliche Warnungen vor Überanstrengung des Sehnervs und vor schlechter Luft." Düstere Prognosen Die wichtigste Kino-Neueröffnung nach dem I. Weltkrieg fand im Juli 1919 am Oberkirchplatz 10 statt. In dem prägnanten Haus waren nach einem Umbau zwei Säle entstanden. Der linke Eingang führte zur Weinstube Kammerbrettl, in der DDR die etwas anrüchige Nachtbar Clou, und der rechte zu den neuen Kammerlichtspielen. Am Eröffnungstag gab es dort "Die Liebe der Bajadere" und "Das Hexenlied". Das Haus neben der Oberkirche gehörte dann in der DDR-Zeit gemeinsam mit Weltspiegel und Südlichtspielen zur gut besuchten Cottbuser Kinolandschaft. Nach der Wende ging es damit jedoch rasch abwärts. Hohe Arbeitslosigkeit, Videotechnik, Internet und das Privatfernsehen machten dem nun kommerzialisierten Kinos zu schaffen. Als erstes machten die Südlichtspiele dicht. Hochfliegende Pläne für neue Großkinos am Neustädter Platz und in der "Berliner Passage" platzten. Gebaut wurde in Groß-Gaglow. In der Cottbuser Zeitung, dem Blatt des Heimatkreises, hieß es 1998: "Am 29. März schlossen die Kammerlichtspiele ihre Pforten, am 27. Mai der Weltspiegel – vermutlich für immer." Der Weltspiegel verabschiedete sich nicht mit einer Klamotte, sondern dem Anlass angemessen, mit dem Oscarpreisgekrönten Drama "Titanic". Wie schon ein anderer Einwohner dieses Landes feststellte, leben die Totgesagten bekanntlich länger. Im Jahre 2012 nahmen die Cottbuser ihren Weltspiegel wieder in Besitz. Heute verfügt die Stadt nicht nur über ein anspruchsvolles Filmfestival, sondern mit Weltspiegel, UCI und dem entzückenden Obenkino über eine zunehmend gut genutzte Kinowelt.


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