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Cottbus vor der fünften Kriegsweihnacht

- Vor 75 Jahren -
Kaufhaus Waldschmidt 1943, Blick von der Stadtpromenade.

Kaufhaus Waldschmidt 1943, Blick von der Stadtpromenade.

In der 1941 erschienenen "Geschichte der Stadt Cottbus" beschrieben die Autoren den "Jubel der Bevölkerung" nach den Siegen Nazi-Deutschlands über Polen, Frankreich und die kleineren Nachbarn. Zwei Jahre später, im Dezember 1943, vor 75 Jahren, war an solche Jubelfeiern nicht mehr zu denken. Die fünfte Kriegsweihnacht stand bevor und die Zeit der Blitzsiege war vorbei. Trotz massiver Propaganda konnte die Führung kaum verheimlichen, dass sich die Hitler-Wehrmacht an allen Fronten auf dem Rückzug befand. Grundsätzlich hatte sich die Situation an der Ostfront geändert. Von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer übernahm die Rote Armee die Initiative. Der Cottbuser Anzeiger berichtete Mitte Dezember 1943 von der "Vierten Schlacht bei Smolensk", bei der "auch 34 Sowjet-Schützendivisionen den Durchbruch nicht erzwingen konnten." Auch der letzte Zeitungsleser konnte daraus ableiten, dass sie Heeresgruppe Mitte, die zwei Jahre zuvor schon die Türme Moskaus gesehen hatte, um ganze 400 km zurückgedrängt worden war. Im südlichen Abschnitt befreiten die sowjetischen Streitkräfte am 6. November Kiew. Das Ende der Blockade von Leningrad stand unmittelbar bevor. Wer eine Landkarte lesen konnte, wusste, dass der Krieg verloren war, auch weil Amerikaner im September im italienischen Kalabrien gelandet waren. Rassismus und Durchhalteparolen in Cottbus Inzwischen langen viele deutsche Städte im alliierten Bombenhagel. Die Überreste kommunaler Selbstverwaltung waren in Cottbus zum Erliegen gekommen. Immer seltener traten die "Gemeinderäte" zusammen. Oberbürgermeister Baselli erklärte, dass es nichts zu beraten und entscheiden gäbe. "Die Aufgaben, die der Stadt jetzt gestellt werden, bestehen in Anordnungen der Reichsstellen, die widerspruchslos auszuführen sind." Nach den ersten Angriffen auf Cottbus veränderten die Anforderungen des Luftschutzes das öffentliche Leben. In den Kellern der Wohnhäuser entstanden Mauerdurchbrüche, um aus zusammenstürzenden Gebäuden fliehen zu können. Die Verdunkelung der Stadt hatte zahlreiche Einschränkungen zur Folge. Die Cottbuser Feuerwehr war bei den schweren Bombardements in Berlin im Einsatz. Längst hatten sich die Menschen wieder an Lebensmittelmarken gewöhnt. Der Anzeiger zitierte den "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda" Goebbels: "Nicht reisen! Zu Hause bleiben!". Wegen der "kriegswichtigen Transporte" sollte eine "zusätzliche Beanspruchung der Reichsbahn durch Weihnachtsbesuche vermieden werden". Zahlreiche Gebäude dienten als Lazarette, auch das jetzige Stadthaus am Erich-Kästner-Platz. Frauen organisierten dort Weihnachtsfeiern für die Verwundeten. Beeinträchtigt wurde die Adventsstimmung durch Todesnachrichten von den Fronten. Das Cottbuser Blatt brachte täglich sechs bis zehn Anzeigen. Da klangen die Zeitungsüberschriften wie "48000 BRT von U-Booten versenkt", "Vernichtung des Sowjet-Brückenkopfes" oder "Niemand zweifelt am gerechten Ausgang dieses Kampfes" kaum beruhigend.  Die Tageszeitungen erschienen meist nur noch mit vier Seiten. Für hässliche rassistische Sprüche war aber noch genug Platz. So wurden die "Ostarbeiterinnen", die in Lagern am Stadtrand eingepfercht waren, aufgefordert, in der Straßenbahn für Deutsche Platz zu machen. "Im Übrigen dürfte es wohl selbstverständlich sein, dass in Cottbus Stadt und Land unsere Volksgenossen die Plätze öffentlicher Verkehrsmittel einnehmen." Weihnachtsfest der "Umquartierten" Die Cottbuser Zeitung widerspiegelt im Dezember 1943 die Bemühungen, in der Stadt so etwas wie Weihnachtsstimmung zu erzeugen. Schon in den Vergangenen Kriegsjahren hat es Weihnachtsfeiern für Verwundete, für die Kinder gefallener Soldaten und für die "WHW-Betreuten" gegeben. Jetzt kamen in Cottbus die "Umquartierten" hinzu, jene Menschen, die in anderen Städten "ausgebombt" waren und in Cottbus bei Verwandten oder in Notunterkünften lebten. "Jedes umquartierte Kind bis zu zwölf Jahren soll ein Spielzeug erhalten." Und im Rathaus auf dem Altmarkt sucht man vergebens nach der Lösung der Frage, wo denn jene Cottbuser untergebracht werden sollten, die bei dem zu erwartenden Luftangriff obdachlos würden. In Teheran trafen sich indessen die "großen Drei". Roosevelt, Churchill und Stalin verständigten sich über die Landung in Westeuropa und die Gestaltung Nachkriegsdeutschlands. Der Cottbuser Anzeiger warnte am 2. Dezember die "Obergangster davor, sich nicht noch mehr zu blamieren, als unbedingt erforderlich ist." Da waren es bis zur Zerstörung der Stadt noch 14 Monate.


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