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Dünge-Regeln belasten Bauern

Die Schuld für die zu hohen Nitratwerte im Grundwasser ausschließlich auf die Landwirte zu schieben, ist zu einfach - dazu ist die Problematik zu komplex. Die Bauern bieten Lösungsvorschläge an und wollen vor allem eins: fair behandelt werden. Das Landwirtschaftsministerium hingegen hat eine klare Meinung.
Landwirt Matthias Rebisch (links) und Düngeberater Jan Hentschel von Timac Agro achten penibel darauf, in welchen Mengen auf den Feldern gedüngt wird. Foto: Sandro Paufler

Landwirt Matthias Rebisch (links) und Düngeberater Jan Hentschel von Timac Agro achten penibel darauf, in welchen Mengen auf den Feldern gedüngt wird. Foto: Sandro Paufler

Wenn der Landwirt Matthias Rebisch mit seinem Düngeberater Jan Hentschel die interaktive Karte der nitratbelasteten Böden im Freistaat Sachsen betrachtet und speziell auf seine Ländereien schaut, dann wirft diese Karte mehr Fragen als Antworten auf. Wie können rote Gebiete, sprich stark nitratbelastete Flächen, an Straßenzügen und Grundstücksgrenzen einfach abrupt aufhören? Und warum sind Flächen stark belastet, die noch nie von der Landwirtschaft genutzt wurden?

Die EU verklagt Deutschland

Rückblick: Die EU-Kommission hatte im Jahr 2016 die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, weil Deutschland nicht genügend gegen die Nitratbelastung im Grundwasser getan hätte. Die Vermutung lag nahe, dass eine Überdüngung auf den Feldern dazu geführt hatte und überschüssiges Nitrat in das Grundwasser floss. Auf Druck der EU wurde eine neue Düngeverordnung bundesweit beschlossen, die nun 2021 vollständig in Kraft getreten ist.

Warum düngen Landwirte eigentlich?

Doch warum wird überhaupt gedüngt? Damit Pflanzen gut wachsen können, benötigen sie neben Sonnenlicht und Wasser auch viele Nährstoffe. Bei jedem Wachstumszyklus werden dem Ackerboden Nährstoffe entzogen, die mit der Ernte abtransportiert werden. Ziel der Düngung ist es, dem Boden die entzogenen Nährstoffe wiederzugeben, um eine gute Pflanzenqualität bei der nächsten Ernte zu gewährleisten.

Landwirte wollen faire Bedingungen und ein funktionierendes Messstellensystem

Damit der EU-Kommission genüge getan wird, wurden rote Gebiete prognostiziert, um die hohen Nitratwerde im Boden und Grundwasser nachvollziehen zu können. Der Sächsische Bauernverband und die Initiative »Land schafft Verbindung« kritisieren die Messstellen, weil nur Durchschnittswerte genommen werden. In einem Gutachten mit dem Unternehmen der »Hydor Consult« wurde festgestellt, dass 73 Prozent der Messstellen in Sachsen als ungeeignet eingestuft wurden. »Uns geht es nicht darum die Düngeverordnung zu verhindern, aber wir wollen eine verursachergerechte Ausweisung der nitratbelasteten Gebiete und ein funktionierendes Messstellennetz, in das wir Landwirte Einsicht haben«, findet Torsten Krawczyk, Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes. Heißt konkret: Verursacher, die für die hohen Nitratwerte verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Denn die Gründe für zu hohe Nitratwerte haben vielfältige Ursachen und können nicht nur beim Landwirt gesucht werden, sondern auch geologischen Ursprungs sein.

Keine Chance auf dem Weltmarkt: "Es geht um unsere Existenz"

Die Bauern zahlen einen hohen Preis für die Düngeverordnung. Landwirte, deren Felder rot ausgewiesen sind, müssen 20 Prozent weniger düngen. Dementsprechend schwinden die Erträge sowie die Qualität der Produkte. Andere Länder ohne strenge Düngeverordnung haben keine Einschränkungen beim Düngen. Sie können kostengünstiger produzieren sowie dann bessere Produkte anbieten und haben einen Wettbewerbsvorteil auf dem Weltmarkt. Die regionalen Bauern sind sauer: „Es hat nichts mehr mit Einbußen zu tun, hier geht es um unsere Existenz“, sagt Landwirt Mathias Rebisch. 

Landwirtschaftsministerium hält dagegen

Das Sächsische Landwirtschaftsministerium hat eine andere Auffassung: Aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen und modellgestützter Abschätzungen ergibt sich eindeutig, dass landwirtschaftlich genutzte Böden mit Abstand die Haupteintragsquelle für Nitrat in das Grundwasser sind. Hingegen geht von Waldböden in der Regel keine Gefahr einer Überschreitung des Nitrat-Schwellenwertes von 50 Milligramm Nitrat pro Liter aus, heißt es auf Anfrage. Das Ministerium zweifelt auch am erstellten Gutachten, weil es nur einen Teil der Daten berücksichtigt. Bisher fanden Landwirtschaft und Ministerium hier noch keinen gemeinsamen Nenner.


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