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Silke Richter

Springbrunnenbader und Gummihopser

Das Projekt Spurensuche geht in die vierte Runde. Dieses Mal stehen Springbrunnen im Mittelpunkt des Geschehens.
Zeitzeugin Ina Schieke, Finn Markgraf, Karsten Held und Ina Züchner (v.l.) blättern in Erinnerungen zum Thema »Springbrunnenbader - Kindheit in der DDR«. Foto: Silke Richter

Zeitzeugin Ina Schieke, Finn Markgraf, Karsten Held und Ina Züchner (v.l.) blättern in Erinnerungen zum Thema »Springbrunnenbader - Kindheit in der DDR«. Foto: Silke Richter

Irgendwann an einem Sommertag Ende der 70er Jahre: Peng. Peng. Immer wieder prallt ein Ball an die Tunnelwände. Links und rechts davon befinden sich Hochhäuser, hinter deren Wänden zahlreiche Schichtarbeiter mit ihren Familien wohnen.
Der Kinderlärm stört nahezu niemanden. Es ist normal, dass sich Jungen und Mädchen zuhauf zwischen den Wohnblöcken und auf den Spielplätzen treffen. Gummihopse, Völkerball und andere Spiele gehören zum Alltagsbild in der Stadt.

Der Wohnkomplex 8 ist noch jung. Hier gibt es fünfgeschossige Wohnhäuser, mehrere Schulen und Kinderkombinationen. Dementsprechend hoch sind auch die Kinderzahlen. Entpuppt sich die Stadt Hoyerswerda doch immer mehr als Magnet für junge Familien, die sich dank des Braunkohleabbaus im Kombinat Schwarze Pumpe und Umgebung eine Existenz aufbauen möchten. Innerhalb kürzester Zeit wächst die Stadt und zählt bis zur politischen Wende etwa 70.000 Einwohner.

Fröhlicher Badespaß mitten in der Stadt

Ein Anziehungspunkt für die Kinder sind auch die zahlreichen Springbrunnen im Stadtgebiet. Sie sorgen für Abkühlung und fröhlichen Badespaß. Es ist eine Zeit, in der viele Eltern ihre Kinder noch beruhigt draußen spielen lassen.  Denn damals ist keines der Kinder lange allein.

Ina Züchner ist auch ein Neustadtkind. »Ich kann mich noch gut an das Gewimmel von Kindern am Springbrunnen im WK 8 an der Kaufhalle erinnern. Eigentlich durften wir nur die Füße reinhängen. Das haben wir nicht gemacht. Wir haben sogar versucht, im flachen Wasser zu schwimmen«, blickt die Hoyerswerdaerin heute, 40 Jahre später, zurück.
Den Brunnen mit der Bronzeplastik namens »Vogelflug« am Lipezker Platz gibt es immer noch. Er ist eine Erinnerung an den verstorbenen Bildhauer, Maler und künstlerischen Leiter der Hoyerswerdaer Bildhauersymposien, Jürgen von Woyski, der den Brunnen 1974 geschaffen hat.
Auch die Brunnenanlage von Helge Niegel  am Lausitzer Platz und der ZDF-Brunnen von Manfred Vollmert in der Teschenstraße sowie die zahlreichen anderen Springbrunnen haben die Kindheit vieler Hoyerswerdaer maßgeblich geprägt. Sie zählen heute zu den Kulturdenkmälern der Stadt.
Ina Züchner mochte schon als Kind den Anblick des fliegenden Schwans auf »ihrem« Springbrunnen im WK 8. Nach der Abkühlung ein Sonnenbad auf der warmen Brunnenmauer, dazu eine Packung Cottbuser Kekse und die Welt war für die Kinder in Ordnung. Die Kekse gibt es heute noch. Viele der Springbrunnen glücklicherweise auch.

Und weil Geschichten wie diese spannend und interessant sind, entstand die Idee, ein Spurensuche-Projekt daraus zu gestalten, dass von der Sächsischen Jugendstiftung initiiert wird und in Hoyerswerda unter Leitung von Kulturfabrik-Mitarbeiterin Ina Züchner bereits zum vierten Mal stattfindet.
Das Projekt ermöglicht jungen Teilnehmern, sich intensiv mit frei gewählten, gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. Nachdem in der Vergangenheit die DDR-Geschichte, die Entwicklung von Schulen in Hoyerswerda und das Motto »Sprachlos – Sorben im Nationalsozialismus« im Mittelpunkt standen, geht es nun mit dem Thema »Springbrunnenbader - Kindheit in Hoywoj zu DDR-Zeiten« weiter.
Die jungen Projektteilnehmer recherchieren, sprechen mit Zeitzeugen, sammeln Erfahrungen bei Interviews und bei Ton- sowie Filmaufnahmen und bekommen weitere Einblicke in technische Details sowie in die historische Geschichte der Stadt.

Im Gespräch mit Zeitzeugen

Zu den teilnehmenden Schülern gehört auch Finn Markgraf. »Ich bin sehr an der Entwicklung, der Vergangenheit und dem kulturellen Leben von Hoyerswerda interessiert. Es ist schon sehr außergewöhnlich, wie sich die damalige junge Stadt bis heute entwickelt hat«, meint der 13-Jährige.
Finn hat bereits an den drei ersten Projekten teilgenommen und freut sich auch auf die Ergebnisse des jüngsten Themenkomplexes.  Denn auch bei dieser Spurensuche soll unter Anleitung von Angela Schuster wieder ein Film entstehen.

Dafür hat Finn auch das Interview mit Ina Schieke unterstützt. Die Zeitzeugin hat für das Gespräch vor der Kamera Fotobücher und anderes historisches Material aus ihrem Privat- und Berufsleben mitgebracht, das Einblicke in ihre Familiengeschichte zu DDR-Zeiten gibt. Die 57-Jährige hat bis 1988 in Hoyerswerda gelebt, bis sie ins benachbarte Spremberg zog.
Ina Schieke berichtet begeistert davon, dass sie ein Hochauskind gewesen sei und das so genannte Indianerdorf sehr mochte, in dem es ein ausrangiertes Flugzeug und eine Eisenbahn für die Kinder zum Spielen gab.
Auch die Schulbibliothek, die Nachmittagsveranstaltungen in der Schule, die vielen Spielplätze und auch Springbrunnen waren bei ihr sehr beliebt. »Wir haben gut gelebt«, meint Ina Schieke mit heutigem Blick in die Vergangenheit.

Erinnerungen gesucht

  • Wer das Projekt als ehemaliger »Springbrunnenbader« oder  »Gummihopser« mit Fotomaterial unterstützen möchte, kann sich gern bei Ina Züchner melden.
  • ina.zuechner@kufa-hoyerswerda.de oder 03571/ 209 3344


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