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„Jeder hat einen direkten Draht zu Gott“

In Herzberg wird am Samstag, 15. Juli, der Kreiskirchentag gefeiert. Dazu im Interview: Christof Enders, Superintendent des Kirchenkreises Bad Liebenwerda.
Christof Enders, Superintendent des Kirchenkreises Bad Liebenwerda. Foto: Sigrun Tausche

Christof Enders, Superintendent des Kirchenkreises Bad Liebenwerda. Foto: Sigrun Tausche

Herr Enders, wie groß ist Ihre Vorfreude auf das Fest? Christof Enders: „Die wird mit jedem Tag größer. Ich bin jetzt wirklich gespannt, wie es werden wird und ob wir Menschen zu diesem Höhepunkt einladen können.“ Was ist das Anliegen des Kreiskirchentages?
Enders: „Der Anlass ist das Reformationsgedenken in diesem Jahr. Da gibt es eine Unmenge an Veranstaltungen. An jedem Ort etwas Besonderes. Mit dem Kreiskirchentag wollen wir in diesem besonderen Jahr 2017 ein Zeichen setzen, dass im ganzen Landkreis erkennbar ist.“ Wer ist eingeladen?
Enders: „Jede und jeder ist eingeladen! Wir bieten ein offenes Fest, wo jeder mit dabei sein kann. Das ist eine besondere Chance: Hier können die Menschen sehr direkt an den Reformationsfeierlichkeiten teilnehmen. Nicht so weit, wie in Berlin oder Eisenach, sondern hier vor Ort. Es ist ja gar nicht so einfach: Wie begehe ich denn das Reformationsgedenken? Interessiert mich das? Und wenn ja, wie kann ich da mit dabei sein? Da ist unser Kreiskirchentag genau richtig. Hier gibt es aktuelle Ergebnisse aus der Lutherforschung, aber auch Spaß für Kinder und Jugenliche, ernsthafte Diskussionen über aktuelle Themen unserer Zeit und Momente zum Genießen und Stillwerden. Das Ganze dann noch super komprimiert und gut geplant.“ „Mein direkter Draht“ lautet das diesjährige Motto des Tages. Was steckt dahinter?
Enders: „Luthers Erkenntnis war ja, dass man zum Glauben nicht auf Kirche, Priester oder Ablass angewiesen ist, sondern: Jeder hat einen direkten Draht zu Gott. Jeder kann selbst die Bibel lesen und daraus Schlüsse ziehen. Jeder kann selbst Verantwortung für das eigene gute Leben und das Wohlergehen der Mitmenschen übernehmen. Das hat heute viel mit Ehrenamt zu tun. Ohne engagierte Christinnen und Christen würde es die evangelische Kirche gar nicht geben. Und dieses Engagement wurzelt in der Zusage: Du kannst selbst deinem Glauben eine Form geben. Auf dem Kreiskirchentag kann man bestaunen, wie vielfältig dieser gelebten Glaubensformen aussehen.“ Mit welchen Themen wird sich in diesem Jahr der Kreiskirchentag konkret befassen?
Enders: „Natürlich geht es auch um Luther und die Historie. Aber wir gehen viel weiter. Was sind denn heute die drängenden Fragen? Das eine große Thema ist eben das Ehrenamt. Das zweite ist für uns die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Viele von unseren alten Arbeitsformen helfen heute nicht mehr weiter. Vor allem der demografische Wandel macht uns zu schaffen. Wie helfen wir Kindern und Jugendlichen, ihre eigene Religiosität ernst zu nehmen? An welchen Orten können sie Glauben authentisch erleben und besprechen? In der Schule und im Alltag kann man sich heutzutage über alles unterhalten, aber gerade diese Fragen traut sich heute keiner mehr zu stellen. Da müssen wir neue Formen finden.“ Ein Kirchentag lebt auch von seinen Besuchern. Wie werden diese aktiv in das Geschehen mit einbezogen?
Enders: „Fester Bestandteil jedes Kirchentages ist der ‘Markt der Möglichkeiten’. Hier sind über 20 Initiativen aus den Kirchengemeinden und darüber hinaus versammelt. Hier kann gefragt, geredet und sich ausgetauscht werden. Beim Podium sollen die Besucher das Thema mitdiskutieren. Und für Kinder und Jugendliche gibt es über die gesamte Zeit ein eigenes Programm mit Spiel und Spannung. Und natürlich gibt es viel zu hören, mitzusingen und bei dem einen oder anderen Song der Bläserchöre könnte auch getanzt werden…“ Zum Abschluss des Tages wird es auf dem Marktplatz ein Reformationsspiel mit dem Titel „Mein Licht. Der Aufbruch der Anna zu Herzberg“ geben. Können Sie kurz erklären, was es damit auf sich hat?
Enders: „Die (fiktive) Anna aus Herzberg wohnte zu Lebzeiten Luthers in Herzberg. Und sie möchte eben – beeinflusst von der neuen reformatorischen Bewegung - auch ‘einen direkten Draht’ haben. Sie wünscht sich nichts mehr, als selbst die Bibel lesen zu können. Eigentlich könnte die junge Frau auf unserem Kreiskirchentags-Logo auch die moderne Anna aus Herzberg sein. Das ist die wirkliche Besonderheit dieses Kirchentages. Wir feiern ihn zusammen mit der Stadt Herzberg. Unser (kirchliches) Programm ist eigentlich nur ein halber Kirchentag. Wir wollen bewusst erst am Nachmittag angefangen. Wenn wir gegen 18 Uhr den Kirchentag offiziell beenden, wird keiner schon nach Hause gehen wollen. Das ist beabsichtigt. Wir laden dann alle Kirchentagsbesucher ein, das Reformationsspiel der Stadt Herzberg zu besuchen. Diese Zusammenarbeit ist wohl einzigartig. Und sie wirft ein Licht auf das Reformationsjahr 2017. Mir scheint es das besondere dieses Reformationsjubiliäums zu sein, dass so viele gesellschaftliche Akteure hier gemeinsam mit oder neben evangelischen Christen aktiv werden.“ Neben dem Reformationsspiel gibt es viele weitere Angebote an dem Tag. Was darf man als Besucher auf keinen Fall verpassen?
Enders: „Schwierige Frage. Also der ’musikalische Drahtseilakt‘ mit dem Vokalensemble Elbe-Elster ist mein persönlicher Favorit. Und natürlich freue ich mich sehr, dass Altbischof Axel Noack im Gottesdienst um 14 Uhr die Predigt halten wird. Der Vortrag zu Luther von Dr. Reim aus Wittenberg wird für die Geschichtsinteressierten ein Genuß sein und für alle, die es etwas leichter mögen, ist der Auftritt vom (fast) originalem Luther mit seiner Frau Käthe ein Muss.“

Der Kirchentag wird am 16. Juli fortgesetzt. An diesem Sonntag wird um 10 Uhr in allen Kirchen des Kirchenkreises zu einer Andacht eingeladen. Was ist Hintergrund dieser Aktion?
Enders: „Es ist ein Versuch, die Grundidee ’Ehrenamt‘ des Kirchentages gleich in die Praxis umzusetzen. Wir wollen auf den besonderen Reichtum in unserem Kirchenkreis hinweisen. Wir haben sehr viele wunderschöne Kirchen, wir sind also einerseits ’steinreich‘ und andererseits gibt es Menschen, die sich mit Herz für ihre Gemeinde und ihre Kirchen einsetzen. Am Sonntag sollen also in möglichst vielen Kirchen um 10 Uhr die Glocken läuten und die Menschen zu kleinen aber feinen Andachten zusammen kommen. Damit wird klar: jeder hat einen direkten Draht. Das wird kein Groß-Event. Sondern kleine, bescheidene Andachten. Aber daran liegt eine große Kraft, davon bin ich überzeugt. Es ist die scheinbar schwache Kraft des Glaubens und des Gebetes.“ Der Kirchenkreis Bad Liebenwerda erstreckt sich von Schönewalde über Herzberg, Liebenwerda und Elsterwerda bis nach Lauchhammer und Schwarzheide. Zirka 17.000 evangelische Christen leben im Kirchenkreis. Mit wie vielen Menschen rechnen Sie zum Kreiskirchentag?
Enders: „Da kann es anlässlich des Reformationsgedenken eigentlich keine Frage geben: Wir erwarten natürlich 500 Teilnehmer.“

Wenn Sie drei Kirchentagswünsche frei hätten: Was würden Sie sich erstens für die Welt, zweitens für Ihren Kirchenkreis und drittens für den Kirchentag wünschen?
Enders: „Ich wünsche mir, dass wir von dem Funken der Liebe, den jeder von uns – auf der ganzen Welt – in seinem Herz trägt, ein klein bisschen mehr wahrnehmen und uns von ihm entzünden lassen. Und das gilt, egal wer ich bin und wo ich Verantwortung trage, ob in der Schulklasse, in der Familie oder in einer Landespolitik. Dafür beten wir, beim Gottesdienst, in der Andacht oder jeder für sich am Abend oder am Morgen eines Tages. Für den Kirchenkreis wünsche ich mir, dass Kirche in der Öffentlichkeit erkennbar wird. Der Kreiskirchentag soll ein bisschen wie ein Aushängeschild sein: So sind wir als Kirche. Und für den Kirchentag selbst und seine Besucher wünsche ich mir so starke Eindrücke, dass sie auch in den nächsten Wochen noch gern davon erzählen: Also beim Kreiskirchentag in Herzberg, das war so bewegend, da habe ich... .“

Vielen Dank! (Stefan Staindl)


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