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Jan Hornhauer

Im Leben, wie auf der Bahn: Drei Runden durchhalten

Am Sonntag verstarb im Alter von 61 Jahren die Cottbuser Radsportikone und Olympiasieger Lothar Thoms. Aus diesem Anlass lesen sie hier noch einmal ein Porträt des Ausnahmesportlers, welches im Mai vergangenen Jahres anlässlich des 60. Geburtstages des gebürtigen Gubeners im WochenKurier erschien.

Am Mittwoch feierte die Cottbuser Radsportlegende Lothar Thoms seinen 60. Geburtstag. Dass er den überhaupt feiern durfte, ist für ihn ein Segen. Denn vor 14 Jahren erlitt er einen schweren Schlaganfall. Mit den Folgen hat er heute noch zu kämpfen. Doch der Olympiasieger im 1.000-Meter-Bahnsprint von 1980 gab nie auf - sein Rennen läuft weiter. 1.000 Meter: Drei Mal hat er im Sommer 1980 die Runde im Moskauer Radstadion absolviert, ehe er als Olympiasieger die Arme hochreißen durfte (s. Autogrammkarte). Das Radfahrer-Gen wurde dem gebürtigen Gubener in die Wiege gelegt. Bereits sein Großvater Bruno fuhr Rennen, taucht u.a. in der Fahrerliste des Rennens „Rund um Forst 1928“ auf. Lothar Thoms dreht seine ersten Runden für Lok Guben. Schnell stellen sich Erfolge ein und die Einsicht: „Wenn ich Weltmeister werden will, muss ich nach Cottbus gehen.“ Von den neun Geschwistern noch belächelt, geht Lothar seinen Weg. Zunächst auf Straße. Als „Straßenbahnfahrer“, wie er selbst scherzhaft meint, konzentriert er sich spätestens ab Mitte der 70er-Jahre voll auf die Bahn. Hier feiert er Ende der 70er- und Anfang der 80er- Jahre seine größten Erfolge. WM-Titel ´77, ´78, ´79 und ´81 sowie die Krönung mit dem Olympiasieg 1980 in Moskau - Lothar Thoms ist wer. Doch Verletzungen und letztlich der Boykott der Spiele 1984 in Los Angeles durch die Sowjetunion bringen das Karriereende. Kluger Mann baut vor - so auch Lothar Thoms. Bereits zu seiner aktiven und sehr erfolgreichen Zeit studierte er parallel Staatswissenschaften, den Abschluss machte er im Januar 1985 unmittelbar nach dem Ende der aktiven Laufbahn. Es folgt ein Intermezzo als Funktionär in Berlin. „Für die Radfahrer wollten sie mich nicht, ich brauchte noch Erfahrungen. Also war ich als Organisator bei den Gewichthebern, Turnern und Seglern aktiv“, sagt Thoms und fügt augenzwinkernd an: „Bei den Seglern hatte das wenigstens den Vorteil, dass man bei schönem Wetter draußen war.“ 1988 war er als stellvertretender Generalsekretär für die Radfahrer der DDR zuständig. Nach der Wende änderte sich vieles, auch im Leben von Lothar Thoms. Nach der Scheidung von seiner Ehefrau 1996 zog es ihn von Berlin zurück nach Cottbus, wo er seine Ausbildung als Physiotherapeut abschloss und fortan in dem Bereich arbeitete. Dann kam der 26. April 2002. Mitten in der Nacht wacht Lothar Thoms schweißgebadet auf. Er kann seine Arme nicht mehr heben, ist schwach auf den Beinen und sieht Doppelbilder. „Durch meine Ausbildung wusste ich sofort: Das ist ein Schlaganfall“, berichtet er heute. Weil er selbst allein zu Hause war, die Lebenspartnerin war als Lehrerin zu einem Austauschjahr, schleppte er sich zu einer Nachbarin, die rief den Notarzt. Nach der unmittelbaren Behandlung folgt die lange und quälende Reha. „Sprechen, Bewegen - alles musste ich neu lernen“, berichtet er. Das Atmen macht ihm heute noch zu schaffen, insbesondere in stressigen und anstrengenden Momenten. Hilfe und Rückhalt fand er in der Selbsthilfegruppe Schlaganfall, der er seit einigen Jahren als Vorsitzender vorsteht. Die 19 Mitglieder treffen sich regelmäßig, nicht nur um über die Krankheit zu reden. „Wir rennen von Arzt zu Arzt. Unsere Freizeit, die wollen wir gestalten.“ Mitte Juni geht es für die Gruppe zum Großen Preis auf der Radrennbahn in Cottbus - als Zuschauer. Zum Geburtstag am Mittwoch kamen Gratulanten aus allen drei Runden: Familie, Freunde, aber auch Ärzte. Und vor allem viele Sportler... Lothar Thoms verstarb am 5. November im Krankenhaus Forst. Er hinterlässt eine Lebensgefährtin, zwei Kinder sowie ein Enkelkind.


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