Seitenlogo
ts

Auguste Löber stiftet ein Vermögen für soziale Zwecke

Eine unscheinbare Annonce im Cottbuser Anzeiger, versteckt zwischen Danksagungen zur Silberhochzeit, Verlustanzeigen und Einladungen zu Bockbierfesten, teilte Mitte Januar 1897 den Lesern mit: „Statt jeder besonderen Meldung. Heute Nacht 4 Uhr verschied nach kurzem Krankenlager Frau Auguste Löber, geb. Feige. Cottbus, den 15. Jan. 1897". Eine Woche später war die Verstorbene in aller Munde.
Auguste Löber, die Begründerin der Auguste-Stiftung zu Cottbus, Foto: Stadtmuseum

Auguste Löber, die Begründerin der Auguste-Stiftung zu Cottbus, Foto: Stadtmuseum

Die gleiche Tageszeitung schreibt: „Schon bei Lebzeiten der dieser Tage verstorbenen Rentnerin Frau Auguste Löber, geb. Feige, war hier das Gerücht verbreitet, dass dieselbe den Hauptteil ihres beträchtlichen Vermögens unserer Stadt zum Zwecke einer wohltätigen Stiftung zuzuwenden beabsichtigt." Die Hinterlassenschaft war tatsächlich stattlich, laut Anzeiger „spricht man von 500 - 600.000 M." Umgerechnet zur Kaufkraft entspräche eine halbe Million Mark 1897 der Summe von ca. 3,9 Millionen Euro. Zum Vergleich: Oberbürgermeister Paul Werner bezog zu dieser Zeit ein Jahresgehalt von 9000 Mark, ein Volksschullehrer erhielt zwischen 1000 und 2000 Mark und ein Cottbuser Textilarbeiter verdiente im Monat 60 Mark. Was sollte mit dieser bedeutenden Summe geschehen? Auguste Löbers letzter Wille war die Einrichtung einer Stiftung. „Zweck der Stiftung, welche ihren Sitz in der Stadt Cottbus hat, ist, unbescholtenen, in Cottbus geborenen, evangelischen Mädchen und Witwen besserer Stände, die sich zur Kirche halten, in einem zu erbauenden Stiftshause freie Wohnung und jeder Berechtigten zu ihrem ferneren Unterhalte auf den Monat eine Rente zu gewähren." Cottbus galt vor 120 Jahren als aufstrebende, wohlhabende Stadt. Sie war kreisfrei, besaß ca. 40.000 Einwohner, eine zupackende Unternehmerschaft und viele fleißige Handwerker und Arbeiter. Die Eisenbahn hatte der Industrie neue Absatzmärkte gegeben. Für die selbstbewusste Bürgerschaft stellte die attraktive Stadt einen immer größeren Wert dar. Bestrebungen zur Stadtverschönerung, ansehnliche Wohn- und Verwaltungsgebäude und soziale Stiftungen waren um die Jahrhundertwende in Cottbus nichts Ungewöhnliches. Ähnlich wie Auguste Löber hatten sich auch andere vermögende Cottbuser engagiert. Dass die großherzige Tat der Witwe viele Bürgerinnen und Bürger dennoch überraschte, hatte einen Grund. Auguste Löber und ihr schon ein Jahr früher verstorbener Ehemann waren in der Stadt denkbar schlecht behandelt worden. Die Stifterin, mit Geburtsnamen Auguste Feige, wuchs in guten Verhältnissen auf. Ihr späterer Ehemann jedoch, der Kaufmann Ludwig Löber, war auch als Konkursverwalter und Versicherungsagent tätig. Vermutlich durch das Bestreben, seinen Klienten zu helfen, ließ er „Unregelmäßigkeiten" in seinem Geschäft zu, die ihn ins Gefängnis brachten. Ehefrau Auguste, durch Erbschaft mit größeren Geldmitteln ausgestattet, hielt zu ihrem Mann und regulierte die verursachten Schäden. Die Familie wurde jedoch fortan von der „besseren Cottbuser Gesellschaft" geschnitten und mit Verachtung gestraft. Kein Wunder also, dass die gleichen Leute sich durch eine derart hochherzige Stiftung eher beschämt fühlten. Dass von Auguste Löber finanzierte Stiftshaus weihten die Cottbuser am 30. Juni 1900 in der Inselstraße feierlich ein. Fünf Jahre später erhielt ein Teil der Straße ihren Geburtsnamen Feige. Die Denkmalpfleger schätzen das im Stil des Historismus errichtete Haus: „Das mit hohem repräsentativen Anspruch ausgeführte Stiftsgebäude stellt ein baugeschichtlich und baukünstlerisch bedeutendes Zeugnis kaiserzeitlicher Wohlfahrtsarchitektur im Land Brandenburg dar. Zugleich gehört es zu den Höhepunkten historischer Baukunst in Cottbus. … Für Cottbuser Bauten jener Zeit ungewöhnlich ist der Einsatz des hochwertigen Rochlitzer Porphyr-Tuffs." Das Geld reichte dann übrigens noch für das Haus in der Dreifertstraße 8, dass als Wohngebäude für Lehrer des Gymnasiums errichtet wurde. Die Tat von Auguste Löber ist in Cottbus keine historische Angelegenheit. Ihre Stiftung lebt. Das Haus in der Feigestraße, in der DDR-Zeit als Altenheim genutzt, wurde neben den anderen Immobilien 1994 an die wieder aufgelebte Stiftung zurückübertragen. Mit den Mieteinnahmen werden soziale Projekte gefördert. Vorsitzende des Kuratoriums ist Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe. In der Satzung heißt es heute: „Zweck der Stiftung ist die Unterstützung von in Cottbus lebenden bedürftigen Mädchen und Frauen als Hilfe zum Lebensunterhalt und als Hilfe in besonderen Lebenslagen sowie die Förderung dieses Personenkreises durch projektbezogene Zuwendungen...". Mehr dazu unter: www.auguste-stiftung.de


Meistgelesen