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tok/Alexander Klaus

Wohnen auf Probe in der Görlitzer Altstadt

Von September 2015 bis Oktober 2016 haben mehr als 200 Interessierte eine Woche mietfrei in der Görlitzer Altstadt gewohnt und damit am Projekt „Probewohnen Görlitz-Altstadt“ teilgenommen. Ziel des Projektes ist es, die Attraktivität der Altstadt zu erhöhen.
V.l.n.r.: Heike Drechsler, Pressesprecherin des IZS, Prof. Dr. Robert Knippschild, IZS, Arne Myckert, KommWohnenGmbH und Hartmut Wilke von der Stadtverwaltung Görlitz bei der Vorstellung der Ergebnisse der Begleitstudie. Foto: Alexander Klaus

V.l.n.r.: Heike Drechsler, Pressesprecherin des IZS, Prof. Dr. Robert Knippschild, IZS, Arne Myckert, KommWohnenGmbH und Hartmut Wilke von der Stadtverwaltung Görlitz bei der Vorstellung der Ergebnisse der Begleitstudie. Foto: Alexander Klaus

Autohändler bieten Probefahrten mit Fahrzeugen an, damit der Kunde weiß worauf er sich einlassen würde. Die Stadt Görlitz und die KommWohnen GmbH offerierten im Zeitraum von September 2015 bis Oktober 2016 das „Probewohnen“ in der Görlitzer Altstadt und verfolgten eine ähnliche Strategie, die Revitalisierung von Görlitz. Denn das Projekt wurde vom interdisziplinären Zentrum für ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau (IZS) wissenschaftlich begleitet. 195 Fragebögen wertete das IZS aus, dahinter stehen 115 Haushalte mit 227 Personen, welche dem Angebot gefolgt sind und eine von vier bereitgestellten Wohnungen der KommWohnen für eine Woche bezogen. So entstand eine aussagekräftige Studie über die „Probewohner“. Die Probanden wiederum beurteilten Görlitz unter dem Gesichtspunkt „Wohnqualität“. Sehr viele positive Bewertungen erhielten die Aspekte Historische Altstadt, Atmosphäre, Gastronomie und die Sauberkeit im Altstadtbereich. Auch die Gastfreundlichkeit erfreute die Bewohner. Ein Werbemagnet ist die Nähe zu Polen, so die Annahme der Forscher. Sie vermuten familiäre Wurzeln in Schlesien oder die Attraktivität eines anderen Landes, die bei Probanden den Ausschlag für eine positive Bewertung geben. In den Wohnungen wurden die Wohnungsgröße, Deckenhöhe, Beheizbarkeit und die Lage als sehr positiv empfunden. Eher negativ ist die Bewertung zu fehlenden Balkonen, die oft aufgrund des Denkmalschutzes fehlen. „Es ist nicht ganz einfach im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten die Gebäude frei zu gestalten“, sagte Hartmut Wilke von der Stadtentwicklung. Auch fehlende Barrierefreiheit wurde bemängelt. Hier positionierte sich Arne Myckert, der Geschäftsführer der KommWohnen, eindeutig. Für ihn gilt es, die Erkenntnisse dieser Studie in Bezug auf Barrierefreiheit umzusetzen. Das äußert sich in bereits umgesetzten Vorhaben und weiteren Planungen. Auch der Stellplatz für Pkw wurde als unzureichend empfunden. Erstaunlich, so Prof. Dr. Robert Knippschild vom IZS, ist die Herkunft der Teilnehmer. Platz eins ist Berlin mit 19, auf der zwei Nordrhein-Westfalen mit 16 und Platz drei ist Sachsen mit 15 Teilnehmern. Die Ursache dafür, laut der Forschungsgruppe um Knippschild, ist vermutlich eine Großstadtflucht hin zu Mittelstädten wie Görlitz. Das gelte es weiter zu untersuchen. Die am stärksten vertretene Altersgruppe waren Teilnehmer im Alter von 60 bis 69 Jahren. Die Stadt Görlitz kommt hier zu dem Schluss, dass Görlitz zwar sehr attraktiv für den Ruhestand sein kann, sich die Stadt aber nicht nur auf diese Gruppe reduzieren will. Hinzu kommt die Tatsache, dass „Fastrenter“ oder Ruheständler natürlich flexibler in der Wohnortwahl sind, weil sie nicht von einem Beschäftigungsverhältnis abhängen. Die Forschungsgruppe empfiehlt der Stadt Görlitz eine stärkere Fokussierung im Marketingbereich, gerade in Bezug auf die Nähe zum polnischen Nachbarn oder das Charakteristikum „Görliwood“. Die weichen Standortfaktoren wie Image, Atmosphäre und Wohlfühlfaktor sind für Entscheidungen zum Umzug wichtiger denn je. Hier könnte noch mehr Potenzial für das Wachstum durch die Stadt generiert werden. Die Stadt und das IZS wollen auch in Zukunft zusammenarbeiten und andere Stadtbereiche untersuchen.


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