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„Oberlausitzer Erklärung“ gegen Neonazi-Festival

Mit einer gemeinsam unterzeichneten Erklärung machen 40 Bürgermeister ihre Ablehnung des in Ostritz geplanten Neonazi- Festivals „Schild und Schwert“ deutlich.
Auf dem Gelände des Hotels Neißeblick in Ostritz wollen sich Rechtsextremisten vom 20. bis 22. April beim Festival „Schild und Schwert“ versammeln. Foto: tok

Auf dem Gelände des Hotels Neißeblick in Ostritz wollen sich Rechtsextremisten vom 20. bis 22. April beim Festival „Schild und Schwert“ versammeln. Foto: tok

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat vergangene Woche bei einem Besuch im Landkreis Görlitz eine Erklärung von 40 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern erhalten. Im Vorfeld des geplanten Neonazi-Festivals in der Gemeinde Ostritz positionieren sich die in Verantwortung für die Menschen in der Region stehenden Personen darin klar für eine lebenswerte Region ohne Rechtsextremismus und rufen dazu auf, das parallel zu der Veranstaltung der Rechtsextremen stattfindende und unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Kretschmer stehende Friedensfest zu besuchen. Die Unterzeichnenden, die im täglichen Arbeitsalltag das Funktionieren von Demokratie mit allen Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen gewährleisten, möchten klarstellen, dass sie sich deutlich gegen eine Etablierung neuer rechtsextremer Strukturen in der Oberlausitz stellen. Sie möchten damit auch deutlich machen, dass sie Ministerpräsident Kretschmer für sein Engagement für das Friedensfest den Rücken stärken. Hier die Erklärung im Wortlaut:

Oberlausitzer Erklärung

Für eine lebenswerte Region - ohne Rechtsextremismus! Liebe Oberlausitzerinnen und Oberlausitzer, liebe Gäste, liebe Ostritzerinnen und Ostritzer, sehr geehrte Journalistinnen und Journalisten, vor fast dreißig Jahren sind viele Menschen in Leipzig, Plauen, Dresden, Berlin aber auch hier in der Oberlausitz auf die Straßen gegangen um auf friedliche Weise für ihre Rechte und eine Veränderung der Gesellschaft einzutreten. Selbst die Initiatoren der Friedlichen Revolution hatten nicht erwartet, dass derart schnelle Veränderungen unserer Gesellschaft gelingen würden. Wir leben heute mit den Erfolgen und Vorteilen, entwickelt und entstanden aus den neuen Möglichkeiten. Eine stabile Demokratie ist gewachsen, unsere geliebte Oberlausitz hat wieder gesunde Wälder und Flüsse, Tradition und Religion sind nicht mehr verpönt sondern Teil unseres Lebens, das Dreiländereck ist nicht mehr schwarz sondern Grund zum Besuch der Region, immer mehr unserer polnischen und tschechischen Nachbarn werden unsere Freunde, wertvolle Denkmäler und ganze Stadtkerne sind gerettet, Kultur und Sport sind Standortfaktoren und wichtige Unterstützer für einen wachsenden Tourismus, eine neue vor allem mittelständische Wirtschaft hat sich dank des Engagements von Unternehmerinnen und Unternehmern und mit Unterstützung der öffentlichen Hand entwickelt. Wir leben heute auch mit den Konsequenzen, die der harte Umbruch für ganze Industrien und davon abhängige Regionen brachte. Es gibt nicht nur Gewinner sondern auch Verlierer - nicht wenige Menschen sind enttäuscht worden, leben in Sorge um den Lebensunterhalt und mit Angst vor Altersarmut. Viel Misstrauen ist dadurch entstanden. Es gibt berechtigten Ärger und Kritik am Handeln öffentlicher Einrichtungen und Behörden, vor allem die Bürokratie macht vielen Menschen zu schaffen. Es gibt also noch viel zu tun, Engagement und persönlicher Einsatz sind weiterhin gefragt, Chancen müssen genutzt werden, Ideen entwickelt und konsequent umgesetzt werden. Denken wir zurück an 1989, dann werden uns auch wieder Ziele bewusst, die wir dank der Friedlichen Revolution erreicht haben und für die wir damals offen oder insgeheim eingetreten sind. Es ging um nicht weniger als die Wiederherstellung der Menschenrechte für unsere Bevölkerung: Dazu gehören selbstverständlich auch Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, das Recht zur Wahl des Wohnorts, das Recht selbstverantwortlich zu wirtschaften.  Wir wollen nicht, dass Menschenrechte für uns oder andere in Frage gestellt oder sogar bekämpft werden. Wir, die Unterzeichner, stehen für Pluralismus und Demokratie. Wir arbeiten in unserem täglichen Leben dafür, dass Kritik und Veränderungen durch Mehrheitswillen möglich sind, dabei aber auch der Schutz von Minderheiten garantiert ist. Wir, die Unterzeichner sind uns trotz aller politischer Differenzen darüber einig: Wir wollen und wir brauchen in der Oberlausitz kein rechtsextremes Festival!Nicht in Ostritz, nicht anderswo! Wer Menschenrechte in Frage stellt, Bezüge zu einem verbrecherischen System herstellt, wer Demokratie und Pluralismus bekämpft – der ist hier nicht willkommen, dem soll unsere Region kein Zuhause werden! Wir begrüßen und unterstützen, dass unsere Behörden derartige geplante Events hart prüfen, gegebenenfalls untersagen und verhindern. Wir erwarten, dass Straftaten so weit als irgend möglich unterbunden werden und ansonsten zu Konsequenzen führen müssen. Ein lageabhängiges Eingreifen der Sicherheitskräfte gegen Zuwiderhandlungen von erteilten Auflagen findet unseren klaren Rückhalt. Unser Dank gilt allen engagierten Menschen in Ostritz dafür, dass sie klar machen, dass die Stadt Ostritz nicht tatenlos zusieht, wenn die demokratischen Spielregeln von politisch fragwürdigen Kräften, Verfassungsfeinden und gewaltverherrlichenden Bewegungen ausgenutzt werden. Wir begrüßen, dass Ministerpräsident Kretschmer die Schirmherrschaft über das Friedensfest übernommen hat. Es ist wichtig, dass an dieser Stelle alle demokratischen Parteien und Bewegungen gemeinsam ein klares „Halt!“ formulieren. Liebe Oberlausitzerinnen und Oberlausitzer – überlasst Eure Heimat nicht denjenigen, die meinen, weil hier „nur“ ländlicher Raum sei, könnten sie ihr extremistisches Spiel treiben. Bitte unterstützt Eure Nachbarn in Ostritz, besucht sie auf ihrem Friedensfest, bringt zum Ausdruck, dass die Einwohnerinnen und Einwohner der schönen Neißestadt hier nicht alleine stehen.


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