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Carola Pönisch

Dicke von Heede: Bäume werden Nationalerbe

Mit Bäumen befasst sich Andreas Roloff seit 1980. Seit rund fünf Jahren forscht der Forstwissenschaftler intensiv über uralte Bäume. Dafür hat er mit Gleichgesinnten das Kuratorium Nationalerbe-Bäume gegründet und kürzlich den ersten Nationalerbe-Baum gekürt: Die Linde in Heede, 600 bis 800 Jahre alt.

  Die Dicke von Heede ist nicht nur wirklich ziemlich dick, sie hat in ihrem Leben auch schon sehr viel gesehen. Liebe und Leid, Krieg und Frieden, Tanz und Tod. Jetzt hat sie am 5. Oktober selbst bundesweit Schlagzeilen gemacht: Die Dicke ist eine uralte Sommerlinde, um die 600 bis 800 Jahre alt und mit einem Stammumfang von 17 Metern, was ihren Namen durchaus rechtfertigt. Und was sie zum dicksten vollstämmigen Baum Deutschlands macht. Dafür darf sich die Dicke von Heede (das liegt irgendwo im Emsland) auch einen besonderen Titel verdient: Sie ist Deutschlands erster Nationalerbe-Baum. »Sie müssen in Würde altern dürfen« Dass es diesen Titel überhaupt gibt und er an mindestens 100 Bäume bundesweit verliehen werden soll, ist der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft und hier maßgeblich Andreas Roloff zu verdanken. Der Leiter des Forstbotanischen Instituts an der TU Dresden erforscht Bäume schon seit 1980 und seit etwa fünf Jahren setzt er sich für die wenigen uralten Bäume ein, die es hier bei uns noch gibt. »Wir verstehen darunter Bäume mit einem Stammumfang ab vier Metern und über 400 Jahren«, sagt er. Warum diese Methusalems es in hochzivilisierten Nationen wie Deutschland besonders schwer haben, erklärt der Professor so: »Unsere Sicherheitserwartung sind inzwischen viel zu hoch geworden ist: Zu viele dieser Bäume werden verstümmelt oder gekappt, um sie vermeintlich verkehrssicher zu machen. Dieses starke Beschneiden sowie vielfältige sonstige Stresseinflüsse und Standortprobleme führen zur vorzeitigen Alterung, bis hin zum Absterben.« Das sei der Hauptgrund, weshalb es bundeweit nur sehr wenige wirklich alte Bäume gibt, laut der Dendrologen womöglich keinen einzigen mehr, der über 1.000 Jahre ist. Warum uralte Bäume so wichtig sind Dass Bäume sehr alt werden können, dafür gibt es viele Beispiele weltweit. Der älteste lebende Baum ist eine Grannenkiefer im Hochgebirge Nevadas/USA, rund 5.000 Jahre alt. Diese hat Andreas Roloff zwar noch nicht gesehen, dafür aber einen 3.700 Jahre alten Ginko in China sowie sieben über 1.000- bis 2.500-jährige Eiben in England. »Das hat mich auch so motiviert, das Kuratorium zur Rettung der Uraltbäume ins Leben zu rufen«, sagt Roloff. Denn das sorgt dafür, dass nicht nur Titel vergeben, sondern alle notwendigen Pflege-, Schutz- und Umfeldmaßnahmen für die ausgewählten Bäume dank einer privaten Stiftung bezahlt werden. „Es ist beeindruckend sich klarzumachen, dass diese Bäume über so lange Zeiträume alle Ereignisse und Veränderungen von Standort, Umfeld und Klima tolerieren können müssen.« Dieses hohe Anpassungspotenzial sei mit Blick auf den Klimawandel enorm wichtig. »Wir müssen alles daransetzen, sie der Nachwelt zu erhalten.« Als nächstes wird deshalb ein Ginko in Jahnishausen bei Riesa (19. Oktober) und eine Eibe in Flintbek bei Kiel 827. Oktober mit dem Nationalerbe-Titel vor Kappung und Zurechtstutzen geschützt. Und wer weiß, sicher schafft es auch bald Dresdens Baum-Methusalem auf die Liste der Titelanwärter: Die alte Linde in Dresden-Kaditz, der 800 bis 900 Lebensjahre nachgesagt werden. Einen NDR-Beitrag zur Ernennung der Dicken von Heede am 5. Oktober finden Sie hier.


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