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André Schramm

B6 Neubau: Bestimmer Bund

Der Informationsabend zum Neubau der B6 zwischen Cossebaude und Autobahnzubringer (A4) förderte schon vor dem eigentlichen Beginn eine wichtige Erkenntnis zu Tage: Das riesige Informationsbedürfnis der Anrainer.

Für kurze Zeit herrschte im Umfeld des Italieners "Da Remi" in Niederwartha eine Art Ausnahmezustand. Der Parkplatz gegenüber war rappelvoll, eine lange Schlange übte sich in Geduld vor der Kneipen-Tür. Zu dieser Zeit waren die 200 Sitz- und knapp 100 Stehplätze im Spiegelsaal schon voll belegt.  Der Einlass-Stopp sorgte draußen für lange Gesichter. Die Veranstalter – Landeshauptstadt Dresden und DEGES – hatten offenbar mit so einem Ansturm nicht gerechnet. Mehr als 100 Menschen wurden wieder Heim geschickt. Sie konnten sich aber immerhin in eine Liste eintragen. Wie die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) mitteilte, suche man einen zweiten Termin samt passender Örtlichkeit und werde die "Draußengebliebenen" dann separat einladen.  Drinnen erklärte unterdessen Projektleiter Werner Breinig von der DEGES, worum es bei der Verlegung der B6 im Kern geht. "Die jetzige B6 hat zwei Aufgaben – eine Erschließungsfunktion für die Anlieger und eine Verbindungsfunktion für den Verkehr von und nach Meißen. Beides funktioniert nicht", sagte er. Bis zu 23.000 Fahrzeuge nutzen jeden Tag die Straße. Die neue B6 soll für die Ortsteile Kemnitz, Stetzsch und Cossebaude Entlastung bringen, mehr Sicherheit und Kapazität. Zwischen 7.000 und 10.000 Fahrzeuge werden nach DEGES-Prognosen dann trotzdem noch die alte B6 nutzen. Geplant ist ein 4,3 Kilometer lange Trasse zwischen dem Stausee und dem Autobahnzubringer Altstadt (A4), die rechterhand (stadteinwärts) neben den Bahngleisen verläuft. Breinigs Worten zufolge handelt es sich dabei um die widerstandsärmste Variante. "Was nicht heißt, dass es keine Widerstände gibt", schiebt der Projektleiter hinterher. Immerhin ist das 83 Millionen Euro schwere Projekt im Bundesverkehrswegeplan 2030 unter der Rubrik "vordringlicher Bedarf" vermerkt. Ende 2017 will die DEGES die Entwurfsplanung beim Bundesverkehrsministerium einreichen. Ziel sei es, so Breinig weiter, 2019 das Planfeststellungsverfahren einzuleiten. Mit einem Spatenstich vor 2023 sei daher nicht zu rechnen. Dass das Mammutprojekt so viel Zeit in Anspruch nimmt, liege an die Vielzahl der Interessensträger ringsum. "Wir gehen manchmal einen Schritt zurück, um zwei vorwärts zu kommen", sagt Breinig. Trotzdem ist Zügigkeit geboten. Allein ein Jahr hat die Erstellung das Artenschutzgutachtens in Anspruch genommen und das gilt nur für fünf Jahre. Geplant und gebaut wird die Trasse auf acht Metern Bereite und für Tempo 100. Das letzte Wort in Sachen "Geschwindigkeit" hat aber die Straßenverkehrsbehörde. Wie zügig das im Idealfall geht, konnten die Zuschauer in einer aufwendigen Computeranimation erleben. Nach nur reichlich zwei Minuten war die Echtzeit-Simulation vom unteren Staubecken bis zur Autobahnbrücke – den beiden einzigen Knotenpunkten – vorbei. Unter heutigen Bedingungen unvorstellbar, selbst bei Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln. Bestandteil ist weiterhin ein etwa 80 Meter langer Tunnel unter der Talstraße hindurch. Der Grüne Weg soll mit einer Brücke über die Trasse geführt werden. Damit blieben die Anbindungen beider Straßen an die B6 (alt) erhalten. Als Verlierer fühlten sich die Bewohner des Areals "Seegärten". Für sie ist "Am Urnenfeld" nur ein Fußgängertunnel samt Zugang zu den Bahngleisen vorgesehen. "Wir haben in diesem Gebiet lediglich 500 Fahrzeuge pro Tag. Das rechtfertigt keinen Autotunnel für fünf Millionen Euro", erklärte Breinig mehrere Male an diesem Abend. Stattdessen soll ein bestehender Weg zur Straße ausgebaut werden. Hinunter in die "Stadt" ist es dann 1,7 Kilometer länger als bisher, zumindest mit dem Auto. Großes Thema ist auch der Lärmschutz. In dieser Sache gibt die 16. Bimsch-Verkehrslärmverordnung klare Regeln vor. Tagsüber darf es mit der Neubaustraße in Wohngebieten nicht lauter als 59 Dezibel (nachts 49 db) sein. Problematisch ist die Tatsache, dass die Bahn ohnehin meistens lauter durch Cossebaude düst, dafür aber Bestandsschutz genießt. "Für uns heißt das, dass der Gesamtpegel von  Trasse und Schiene gegenüber heute nicht steigen darf", sagt Breinig. Er versprach hingegen, dass die  zwei bis sechs Meter hohen Lärmschutzwände aufgrund ihrer Nähe zu den Gleisen sogar einen Teil des Bahnlärms schlucken werden. Perspektivisch wird der Bahnverkehr noch steigen (ein Zug aller acht Minuten). Der Lärmschutzposten beläuft sich auf rund fünf Millionen Euro.  Ganz ohne Einschnitte wird es nicht gehen. So müssen für den Trassenbau u.a. einige Kleingartenparzellen daran glauben. Das Tierheim in Stetzsch bekommt die Straße genau vor die Nase gesetzt – ohne eine Querungsmöglichkeit. Der Bund, und das war eben auch eine Erkenntnis des Abends, verteilt an der B6n keine Geschenke.


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