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Rainer Könen

Zeit zu reden

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am Mittwoch Pulsnitz und plauderte an einer Kaffeetafel mit Bürgern aus der Region.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender tragen sich ins Goldene Buch der Stadt Pulsnitz ein - im Beisein von Bürgermeisterin Barbara Lüke und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Foto: Rainer Könen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender tragen sich ins Goldene Buch der Stadt Pulsnitz ein - im Beisein von Bürgermeisterin Barbara Lüke und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Foto: Rainer Könen

Überrascht wirkte der Rentner nicht, als er am Mittwochvormittag von Frank-Walter Steinmeier, umringt von Sicherheitskräften und zahlreichen Fotografen, auf dem Pulsnitzer Wochenmarkt begrüßt wurde.
Wie sein Befinden sei, wollte der Bundespräsident wissen. Ganz ordentlich, meinte der ältere Herr, wäre aber noch besser, wenn man die Zugverbindung gen Königsbrück bald wieder aufnehme. Dabei blickte er den neben dem Bundespräsidenten stehenden sächsischen Ministerpräsidenten an. Michael Kretschmer hörte sich dessen Beschwerden an, versprach sich zu kümmern und weiter zog die bundespräsidiale Entourage, zu der neben Kretschmer auch Frank-Walter Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender sowie die Bürgermeisterin von Pulsnitz, die parteilose Barbara Lüke, gehörte. Steinmeier löst in Pulsnitz Versprechen ein Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die sächsische Kleinstadt besucht, auch um ein Versprechen einzulösen, welches er Lüke im Sommer diesen Jahres gegeben hatte, als diese im Schloss Bellevue an einer Gesprächsrunde des Bundespräsidenten teilgenommen hatte. Dort hatten sich Bürgermeister aus dem ganzen Land getroffen, um zum Thema »Bedrohung von politisch Verantwortlichen« von ihren Erfahrungen zu berichten. Steinmeiers Besuch konnte man als eine Art Unterstützung für Lüke betrachten, die in den vergangenen Monaten wiederholt von Bürgern angefeindete worden war, etwa wegen des Abrisses einer maroden Sportstätte. Nachdem sich Steinmeier und seine Frau ins Goldene Buch der Stadt eingetragen hatten, spazierte das Ehepaar kurz darauf über den Wochenmarkt, um sich mit den Bewohnern zu unterhalten. Und bei der Gelegenheit, wenn man schon mal in Deutschlands bekanntester Pfefferkuchenstadt ist, schaute man auchbei einem Pfefferkuchenbäcker vorbei. Zeitgleich fand im örtlichen Restaurant »Schumann‘s Genusswerkstatt« ein Briefing der 13 handverlesenen Lausitzer statt, die an der Kaffeetafel mit dem Bundespräsidenten teilnehmen durften. In der Runde wollte das Ehepaar Steinmeier wissen, wie es sich denn gegenwärtig in Ostsachsen so lebe, wie man die politische Situation im Lande betrachte. In Deutschland laufe etliches aus dem Ruder, war da zu hören. Auch wurde von manchen ein zunehmender Werteverfall angeprangert. »Das zerstört unsere Gesellschaft«, meinte einer der geladenen Teilnehmer. Die sozialen Medien trügen da sicher eine Mitschuld. Dass die AfD bei der Landtagswahl 30 Prozent der Stimmen in Pulsnitz bekam, bezeichneten einige als »Denkzettel für die etablierten Parteien«. Eigentlich, so ein Bautzener, gehe es den Menschen seit der Wende so gut wie lange nicht mehr und dennoch wachse die Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung. Was sicher damit zusammenhänge, dass sich die Politik zunehmend von den Problemen des Landes entferne, bekam Steinmeier zu hören. Man habe Angst vor der Zukunft, meinte eine Mittdreißigerin. Vor einer Rezession, vor allem aber davor, dass die Kluft in der Gesellschaft zunehmend tiefer werde, weil man nicht mehr miteinander rede.
Über zwei Stunden plauderte das Ehepaar Steinmeier mit den geladenen Bürgern. Es sei eine der zentralen Aufgaben der Politik, so der Bundespräsident an der Pulsnitzer Kaffeetafel, daran zu arbeiten, das man in Deutschland wieder zu einer sachlichen und fairen Streitkultur zurückkehre, auch, um wieder mehr Zufriedenheit in die Gesellschaft zu bringen.


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