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NS Raubkunst in Bautzen gefunden

Forscher entdeckt Teile der verschollen geglaubten HERTIE-Bibliothek. Der Fund soll den Erben übergeben werden.
Siegel und überklebte Ausleihzettel führten Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverlust auf die Spur der verschollen geglaubten Bücher. Foto: hgb

Siegel und überklebte Ausleihzettel führten Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverlust auf die Spur der verschollen geglaubten Bücher. Foto: hgb

 Ausgerechnet in einer öffentlichen Bibliothek ist kürzlich sogenannte Raubkunst der Nazis aufgetaucht. Warum die Werke so lange unentdeckt blieben, ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Bibliotheken einfach nicht das Personal und Geld hatten, um derartige Nachforschungen zu betreiben. Doch seit einem Jahr gibt‘s dafür nun Geld vom Bund. Seitdem sind die Mitarbeiter vom sogenannten „Deutschen Zentrum Kulturgutverluste" auf der Suche nach Raubkunst aus der NS-Zeit. Hinweise auf Raubkunst in der Bautzener Bibliothek gab es schon vor geraumer Zeit. Ein Signum wurde in verschiedenen Büchern gefunden, welches zuerst irrtümlich einer Adelsfamilie zugeordnet wurde. Doch, so Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverlust, ergab es sich, dass die Entdeckung wesentlich spannender war. Denn Uwe Hartmann ist beim Sichten der Altbestände in der Bibo auf Bücher der jüdischen Unternehmerfamilie Edith und Georg Tietz gestoßen. Der Verlust Die Firma der Nachfahren der „Hermann Tietz & Co. Warenhäuser" (Hertie) wurde im Zuge der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 arisiert und die drei Teilhaber, die Brüder Georg und Martin Tietz und deren Schwager Dr. Hugo Zwillenberg, 1934 aus der Unternehmensleitung gedrängt. Nach der Emigration der Familien wurde deren Besitz beschlagnahmt, später versteigert und verkauft. Die bedeutende Büchersammlung des Ehepaares Edith und Georg Tietz erwarb 1944 die Reichstauschstelle des Reichsministeriums des Inneren und lagerte sie in einem ihrer sächsischen Außendepots in der Nähe von Bautzen ein. Mit Kriegsende verlor sich die Spur der Privatbibliothek und wurde bisher als Trophäengut der sowjetischen Besatzungsmacht in Russland vermutet. Die Recherche Im Zuge des Projekts konnten Teile der über 4.000 Bände zählenden Sammlung dem Ehepaar Tietz zugeordnet werden. Laut Max Niederlechner, der die Bibliothek 1943 im Auftrag des Oberfinanzpräsidiums Berlin-Brandenburg schätzte, war sie „eine der schönsten", die er je geprüft hatte. Georg Tietz war als großer Liebhaber und Sammler der Werke des Kupferstechers Daniel Nikolaus Chodowieckis bekannt. Bücher über Chodowiecki und solche, die mit seinen Kupferstichen illustriert wurden, bilden einen Sammlungsschwerpunkt, wie auch seltene und limitierte kunsthistorische Drucke. Romane der Weltliteratur, Schriften zur Ökonomie, Almanache und verschiedensprachige Bücher aus dem 18. und 19. Jahrhundert künden von einer gelehrten, kunstsinnigen Sammlerpersönlichkeit. Über die genauen Zugangsumstände und den tatsächlichen Umfang der Sammlung können noch keine präzisen Angaben gemacht werden, jedoch sollen sie in einer eigenen Untersuchung erforscht werden. Dafür lässt die Stadt Bautzen gerade einen Antrag erarbeiten, um beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste eine Projektförderung zu beantragen. Restitution geht vor Auf die Frage, was mit den rund 500 gefundenen Büchern passiert, antwortet Uwe Hartmann: „Alle einwandfrei identifizierten Bücher sollen restituiert, also zurückgegeben werden." Möglicherweise entscheiden die Erben, wie in anderen Fällen auch, die Bücher als Dauerleihgabe in der Bibo zu belassen. Wenn nicht, so stellt Oberbürgermeister Alexander Ahrens fest, „hält sich der Verlust in überschaubaren Grenzen. Die Bücher stammen aus dem Altbestand der Bibo, sie wurden also lange von niemandem mehr in die Hand genommen." Für die komplette Sammlung zahlte die Reichstauschstelle damals rund 20.000 Reichsmark, „kein exorbitant hoher Wert, trotzdem ein wirtschaftlich nicht unbedeutender Fund", merkte Alexander Ahrens an. (hgb)


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