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„Was sich bewährt hat, muss auch bewahrt bleiben”

Karina Brand setzt das Lebenswerk der Gründer fort. Die Tanzschule Fritsche ist in Cottbus und Umland eine Institution. Wohl jeder zweite Cottbuser hat hier das Tanzen gelernt. Allein seit 1989 sollen es über 35.000 sein. Jetzt kann diese Musenstätte auf ihr 90-jähriges Bestehen zurückblicken. Seit anderthalb Jahren findet man auf dem Firmenschild, auf Briefbögen und im Internetauftritt drei Namen. Dieter und Erzsébet Fritsche haben die Tanzschule in jüngere Hände übergeben. Dass es weiterhin die „Tanzschule Fritsche” sein muss, stand für Karina Brand, die neue Inhaberin, fest. Schließlich hat sie ein tolles Lebenswerk übernommen und selbst ihre Ausbildung als ADTV-Tanzlehrerin in dieser Schule absolviert. Und sie ist von ihr geprägt.
Sie schrieben Cottbuser Tanzschul-Geschichte: Erzsébet und Dieter Fritsche (von links). Karina Brand (rechts) leitet das traditionsreiche Unternehmen seit August 2015. Diese Aufnahme entstand beim »Tag der offenen Tür« im Januar. 		          Foto: tspv

Sie schrieben Cottbuser Tanzschul-Geschichte: Erzsébet und Dieter Fritsche (von links). Karina Brand (rechts) leitet das traditionsreiche Unternehmen seit August 2015. Diese Aufnahme entstand beim »Tag der offenen Tür« im Januar. Foto: tspv

Cottbus. Diese Karina Brand ist richtig „fritschig”. „Tanz ist mein Leben”, sagt sie. „Ich tanze, seit ich denken kann.” Wenn sie davon erzählt, wozu Tanzen - neben allem Spaß - auch erzieht, zu Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnung, hört man den „alten Fritsche”. Und Erzsébet Fritsches Spezialstrecke hat sich Karina Brand auch verschrieben: der Arbeit mit Kindern. Am 20. Februar, 15.30 Uhr, beginnt in dem Haus in der Breitscheidstraße ein Schnupperkurs für Kinder ab acht Jahren. „Paartanz natürlich, um dem kindlichen Vorurteil entgegenzutreten, Tanzen sei  nur was für Mädchen”, erklärt die junge Schulchefin.  „Am 19. März laden wir die Kinder zum Prinzessinnentag  ein, mit Tanz, Spielen, Anschminken, eine richtige junge Tanzparty.” Dazu kommen Kurse für Jugendliche, Erwachsene und Senioren. In ihrer Mitstreiterin Maria Hennig hat sie eine Tanzlehrerin mit Leidenschaft für den Fitnesstanz und das Bodyfit dancing.
Jubiläen laden immer zu Zeitreisen ein, im Zeitraffer durch die Geschichte. Diese Zeitreise zeigt, dass die Tanzschule etlichen politischen Systemen erfolgreich getrotzt hat. Die sind dahingegangen, die Tanzschule blieb, weil Tanz immer eine Lebensweise, ein Bedürfnis, fast wie Essen und Trinken, war. Als der Charleston aufkam, hatte Ruth Knoblauch, die spätere Ruth Fritsche, 1927 die Schule gegründet und stand bei ihrem Patenonkel mit 1 000 Goldmark in der Kreide. Ihre Ausstrahlung, wir stellen sie uns agil und tatendurstig vor wie heute Karina Brand, brachte das Projekt zum Blühen. Mit den Nazis kam sie wohl einmal in Konflikt, dann kam der totale Krieg mit dem fatalen und totalen Aus für jede Vergnügung. Dann spielte die Musik wieder, für Rückkehrer aus der Gefangenschaft, für tanzhungrige Frauen und für russische Besatzer, die tanzen lernen wollten. Weil Letztere auch zu Razzien - niemand wusste, wann,  warum, gegen was und wen - neigten, nahm die Mutter den Jungen mit zum Unterricht, der so schnell seine musikalischen Weihen erhielt.
Nach dem Tod des Vaters, der einen halbwegs intakten Pkw hinterließ, durfte 1954 der 16-Jährige die Fahrerlaubnis machen. Es kam die Zeit der „Koffertanzschule”. Der Sohn chauffierte die Mutter nach Spremberg, Großräschen, Weißwasser, Boxberg, Lübbenau und Lübben. Räumlichkeiten anzumieten war ihnen ebenso verboten wie andere Tanzlehrer oder Helfer anzustellen. Sie fuhren also über Land und lebten aus dem Koffer. Wenigstens kam 1959 die Tanzlehrerausbildung in der DDR in Gang. Er hatte, obwohl auch Elektromonteur, seinen Lebensberuf gefunden und übernahm nach dem Tod der Mutter selbst das Ruder. Fehlte nur noch die Frau an seiner Seite. Diese, besagte Erzsébet, „holte” er aus Budapest. Eine passionierte Kindergärtnerin. Es war Liebe auf den ersten Tanzschritt. Auch sie wurde Tanzlehrerin und verknüpfte beide Berufe, indem sie Kinder das Tanzen lehrte. 
Fritsches sind Medaillenträger. In der DDR kehrten sie mit dem Formationstanzklub goldgeschmückt von Arbeiterfestspielen zurück. und 2010 erhielten sie die Ehrenmedaille der Stadt Cottbus samt einer Eintragung in das Goldene Buch der Stadt. Da hatte die Tanzschule schon lange ihr Domizil in der Rudolf-Breitscheid-Straße gefunden und Dieter Fritsche seine Erfahrungen deutschlandweit in die Programme der Tanzschulen eingebracht.
Karina Brand weiß und kennt das alles. Mit Fotos, Urkunden, Dokumenten belegt, mit Geschichten und Anekdoten angereichert, haben Dieter und Erzsébet Fritsche sie in die Firmengeschichte eingeweiht und eingereiht. „Was sich bewährt hat, muss bewahrt bleiben”, sagt sie. Die Tanzschule wird ein Oase für Menschen aller Lebensalter bleiben. Agilando und Zumba haben eingeschlagen. Tanzpartys sind beliebte Treffpunkte. Die „Tanzschule Fritsche Karina Brand” ist eben eine Institution. Klaus Wilke


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