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Noch sind Bär und Wolf in der Niederlausitz

Vor 300 Jahren
Das kleine Schweinchen traut Wolf Dieter vom Piccolo Theater nicht über den Weg, Foto: Piccolo Theater

Das kleine Schweinchen traut Wolf Dieter vom Piccolo Theater nicht über den Weg, Foto: Piccolo Theater

Christian Carl Gulde beschreibt in seinen „Gesammelten Nachrichten zur Geschichte der Stadt und Herrschaft Cottbus“ die einheimischen Tiere, die in den Wäldern um Cottbus im 18. Jahrhundert lebten. „Wildpret, als Rehe, Hirsche, Schweine, ist in genugsamer Weise vorhanden, und wegen des vorzüglichen Wohlgeschmackes auch auswärtig bekannt ... 
Über wilde, reißende Tiere darf man sich jetzund nicht beschweren, welche ehemals nicht ungewöhnlich waren.“ Und in einer Fußnote wird berichtet: „Noch im Jahr 1536 kam ein Bär vors Luckowische Thor allhier, brachte ein Kind um, riss der Mutter des Kindes einen Finger ab, und beschädigte viele Menschen, ehe er getötet werden konnte.“ Diese Story haben Cottbuser Hobbyhistoriker in den vergangenen drei Jahrhunderten in verschiedenen Variationen, meist aber nach 1650, also vor über 300 Jahren angesiedelt, immer wieder erzählt. Vor dem Luckauer Tor, also zwischen dem heutigen Stadthallenvorplatz und dem Postparkplatz wurde damals der Viehmarkt abgehalten. Dahinter begann der Wald. Möglich, dass sich dort ein Bär gezeigt hat. Das Konversationslexikon von 1874 sagte allerdings zum Bären: „Dem Menschen werden sie nur gefährlich, wenn er ihren Zorn erregt.“ Auch der Cottbuser Archivar Udo Bauer glaubt nicht an diese Untat von Meister Petz. Wahrscheinlicher ist wohl, so sagt eine alte Quelle, „dass der Standesherr Johann Siegmund Graf zu Lynar im Jahre 1650 den letzten Bären im Spreewald erlegt hat.“ Die gleiche Quelle zu später auftauchenden Honigliebhabern: „Zuweilen kamen Bären auch als Irrgäste zu uns. Sie wechselten aus Russland herüber ...“. Aus Russland, natürlich! Woher sonst sollten solche gefährlichen Burschen auch kommen! Der letzte Bär in Deutschland – Bruno nicht mitgezählt - wurde 1835 erlegt. Seine Nationalität ist unbekannt. 
Etwas strenger sind unsere Altvorderen mit Isegrimm. Der Wolf, sagte das Lexikon vor 140 Jahren, „ist ungemein blutdürstig, ... im Herbst und Winter nähert er sich Ortschaften, überfällt das weidende Vieh, ...und wird zur Geisel für Hirten und Jagdbesitzer. Den Menschen vermeidet er so viel wie möglich; ein Weib oder Kind greift er wohl an, aber an den Mann gehen in der Regel nur vom Hunger gepeinigte Meuten ...“ Dieser negativen Meinung schlossen sich wohl schon damals viele nicht an. 
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt der Wolf in Nord- und Mitteldeutschland als ausgerottet. Jetzt ist er in die Niederlausitzer Wälder zurückgekehrt. Aber bevor wir das Für und Wider einer Ansiedlung erörtern, wollen wir eine in der heutigen Diskussion oft vernachlässigte Tatsache erwähnen. Der „böse Wolf“ ist der Urvater unseres Hundes. Und dieser hat, neben dem Pferd, großen Anteil am Aufstieg des Menschen und an der modernen Zivilisation. Er wachte an den Lagerfeuern der Jungsteinzeit und stand den Bauern als Hirte und Jagdhelfer zur Seite. Und heute sind Arco, Baron und Bobby unentbehrliche Helfer in Erdbebengebieten, bei der Polizei und als soziale Partner. Da ist etwas Dankbarkeit gegenüber den wilden Verwandten durchaus angezeigt. 
Warum haben wir es in unseren Wäldern wieder mit dem Wolf zu tun? Er darf nicht gejagt werden und hat Platz und Ruhe, weil nicht mehr jedes Fleckchen Boden landwirtschaftlich genutzt wird. Die Abnahme der Bevölkerungsdichte tut ein übriges. In Deutschland gibt es um die 50 Rudel, davon allerdings die mit Abstand meisten hier in der Lausitz, in Brandenburg 22 und in Sachsen 15. Das Erstaunliche ist dabei nicht das Auftauchen der Raubtiere, sondern die erbitterte Diskussion. Sie wird vor allem von den beiden extremen Seiten, den enthusiastischen Wolfsfreunden und den erbitterten Gegnern, geführt. Von der Lausitzer Rundschau bis zur ARD-Sendung „hart aber fair“: „Mensch raus, Wolf rein – wie viel Naturschutz verträgt unser Land?“ hat man manchmal den Eindruck, dass es andere, drängende Probleme nicht gibt. Und wie bei anderen Diskussionsschwerpunkten glaubt man oft, dass die Stimmen von Maß und Mitte fehlen!
Natürlich soll der Wolf geschützt werden. Aber wenn zum Abschuss des „Problemwolfs“, der dem Kindergarten zu nahe kommt, nicht nur eine Genehmigung des jeweiligen Landesumweltministeriums erforderlich ist, sondern auch „das Einvernehmen mit dem Bund zu treffen“ wäre, fehlt dem gemeinen Zeitungsleser möglicherweise das Verständnis. 
Vernünftig scheint da die Ansicht von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Der will Abschussgenehmigungen nicht nur für „Problemwölfe“ geben, sondern auch zur Regulierung des Bestandes. Und damit wären wir dann beim Thema „Obergrenze“! 
Auf keinen Fall halten wir es so, wie Eberhard Esche in dem Gedicht von Sergej Michalkow sagte: „Wir sahen in dem Wald schon ganz andere Tiere hausen und machten ihnen doch den blutigen Garaus!“


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