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Neuer Verwaltungssitz für den Landkreis...

...wohlgemerkt in der kreisfreien Stadt Cottbus! - vor 125 Jahren.
Kreisständehaus in der Bahnhofstraße  24, Eingangsachse mit Portal und Dachhäuschen. Foto: Lewandrowski

Kreisständehaus in der Bahnhofstraße 24, Eingangsachse mit Portal und Dachhäuschen. Foto: Lewandrowski

Der Frühling des Jahres 1892 brachte Cottbus neben sehr wechselhaftem Wetter auch einige kommunalpolitische Höhepunkte. Die 42 Stadtverordneten verabschiedeten im Rathaus auf dem Altmarkt nach zwölf Jahren den 1. Bürgermeister Dr. Karl Mayer. Im Mai erfolgte die Amtsübernahme durch Paul Werner, der ab 1894 den Titel Oberbürgermeister führte. Cottbus war aber nicht nur der Sitz der Stadtverwaltung. In der Stadt arbeitete auch die Verwaltung des Landkreises. Und die erhielt am 26. März 1892, vor 125 Jahren, ein neues Gebäude, das Kreisständehaus in der Bahnhofstraße 24. In nach heutigen Maßstäben rekordverdächtiger Bauzeit errichtete der Cottbuser Architekt und Bauunternehmer Ewald Schulz das prachtvolle Haus. Die Gestaltung der Werksteinfassade übernahm Paul Freygang. Die Cottbuser Denkmaltopographie schwärmt: „Die reichen Portalrahmungen wie alle plastischen Bauteile aus rotem Miltenberger Sandstein; mit Wappen, Löwenköpfen und Kartuschen repräsentative Motive aufweisend … 
Das teils noch schiefergedeckte Dach mit Laternenaufsatz, Dachhäuschen und Zierspitzen komplett erhalten.“ Eine freitragende Terrazzotreppe führte zum Sitzungssaal des Kreistages und der Wohnung des Landrates. Im Erdgeschoss befanden sich die Büros der Verwaltung und die Kreissparkasse. Über die Einweihung des neuen Kreissitzes berichtete der Cottbuser Anzeiger am 27. März 1892: „Das neue Kreisständehaus, ein herrlicher, stolzer, architektonisch sicherlich nicht unbedeutender Monumentalbau, der nicht allein der ganzen Stadt als solcher zur dauernden Zierde gereicht, sondern auch jeden Einheimischen, jeden Fremden, der sich in seinen Anblick vertieft und für Architektur ein nur einigermaßen sinnempfängliches Auge besitzt, mit Entzücken erfüllen wird, ist nach verhältnismäßig kurzer Bauzeit mit dem heutigen Tage, wo die Schlüsselübergabe stattfinden soll, fertig gestellt worden.“ Vielmehr als eine Schlüsselübergabe scheint es vor 125 Jahren aus einem solchen Anlass nicht gegeben zu haben. Jedenfalls berichtete der Anzeiger, dessen Redaktion nur 15 Meter vom Geschehen entfernt war, nichts davon. Verglichen mit dem Marktgeschrei, dass heute aus ähnlichen Anlässen angestimmt wird, wirkt die preußische Zurückhaltung wohltuend. Bei heutigen Neubauten, benötigte man, trotz meist schlichter Ausführung, die doppelte Bauzeit. Das mag auch daran liegen, dass die Bautätigkeit heutzutage durch erste Spatenstiche, Grundsteinlegungen, Richtfeste und Einweihungen, bei denen sich Minister, Staatssekretäre und städtische Honoratioren gegenseitig zujubeln, entsprechend verlängert wird.
Doch zurück zum Kreishaus: Der repräsentative Neubau war notwendig geworden, weil das alte Ständehaus in der Sandower Straße 54 (heute ein griechisches Restaurant gegenüber der Oberkirche) modernen Verwaltungsansprüchen nicht mehr genügte. Der Cottbuser Kreis, seit dem Ausscheiden der Stadt aus dem Kreisverband Landkreis Cottbus genannt, hatte 1890 52.238 Einwohner. Er gehörte zum preußischen Regierungsbezirk Frankfurt/Oder und umfasste die Stadt Peitz sowie 84 Gemeinden. Landrat war bis 1893 Danko Balthasar von Funke (MdR). Ihm folgte Oskar von Wackerbarth, dessen Name mit dem Bau der Spreewaldbahn und mit dem Bismarckturm verbunden ist. 
Habent sua fata libelli! Aber nicht nur Bücher, auch Häuser haben ihre Schicksale. Das Kreishaus überstand den Luftangriff und die Kämpfe im April 1945 leidlich. Nach 1952 war die Bahnhofstraße 24 Sitz der Bezirksleitung der SED. Aus dem Saal des Kreistages wurde der Sekretariatssitzungsraum. Trotz der Existenz des Rates des Bezirkes am Neumarkt war das Haus in der Bahnhofstraße die eigentliche Machtzentrale des neuentstandenen Bezirkes. Von hier aus steuerte die SED-Führung den Ausbau des Niederlausitzer Kohle- und Energiereviers, griff in die Entscheidungen der Wirtschaftsverantwortlichen und Verwaltungen ein und bereitete mit der Bezirkseinsatzleitung den Kampf gegen jeden nur möglichen Feind vor. Als dann jedoch Bürgerinnen und Bürger mit Kerzen und der Losung „Keine Gewalt“ kamen, brach das Herrschaftssystem innerhalb weniger Wochen zusammen. Nach der politischen Wende diente das Gebäude noch als Arbeitsamt. Jetzt befindet sich in der Bahnhofstraße 24 ein vorzüglich restauriertes Büro- und Geschäftshaus. 
Beim Thema Kreisständehaus und Verwaltung des Landkreises fällt uns natürlich die aktuelle Diskussion zur Kreisgebietsreform ein. Am Ende des 19. Jahrhunderts war die Verwaltungsstruktur der Niederlausitz klar und für die Bürger schlüssig geregelt. Es gab die kreisfreie Stadt Cottbus und es gab den Landkreis. Dessen Sitz war – eigentlich logisch für Stadt und Land – in der Mitte, nämlich in Cottbus. Wenn man im Potsdam unserer Tage erkennt, dass der Weg des Administrierens in eine Sackgasse führt, kann man ja als Ausweg auf die Version von 1892 zurückkommen.


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