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Graf Zeppelin, das Luftschiff „Hansa“ und Cargolifter-Aus

- Vor 15 Jahren -
Postkarte vom Flug des Luftschiffes Hansa von Potsdam nach Cottbus, Stadtmuseum Cottbus

Postkarte vom Flug des Luftschiffes Hansa von Potsdam nach Cottbus, Stadtmuseum Cottbus

Nach den kühnen Ozeanfliegern, die vor 90 Jahren Zwischenstation in Klinge und Cottbus machten, soll es heute noch einmal um die Luftfahrt gehen, diesmal allerdings nicht um Flugzeuge, sondern um die Anwendung des Prinzips „Leichter als Luft“. Pückler sah bekanntlich schon 1816 Teile von Berlin und Potsdam von oben. Und er war nicht der einzige Niederlausitzer, der Ballonflüge unternahm. Aber diese Experimente mit heißer Luft oder Wasserstoff hatten alle das gleiche Problem. Sie waren nicht lenkbar. Meyers Konversationslexikon schrieb dazu 1875: „Bestrebungen, den Luftballon lenkbar zu machen, traten zwar sehr früh auf, scheiterten aber meist ... Alle hierher gehörigen Bemühungen sind erfolglos geblieben.“ Das änderte sich erst mit dem Wirken von Ferdinand Graf Zeppelin. Er gilt als der Entwickler und Begründer des Starrluftschiffbaus, also eines motorgetriebenen Luftschiffes mit einem Skelett aus Trägern und Streben in aerodynamischer Form. Der Graf, der im März vor 100 Jahren starb, verwirklichte seine einmal gewonnenen Erkenntnisse mit unnachahmlicher Energie, gegen alle Widerstände, und mit der „Zeppelinspende des deutschen Volkes“ auch mit ungewöhnlichen Methoden. Das LZ 1, Luftschiff Zeppelin 1, erlebte vor zehntausend Zuschauern im Juli 1900 seinen Jungfernflug am Bodensee.
Die Cottbuser mussten bis 1913 warten, bis sich das erste Luftschiff ankündigte. Am 6. April strömte dann fast die Hälfte der Einwohnerschaft entlang der Sielower Straße in Richtung Rennbahn. Der Cottbuser Anzeiger berichtete: „Kurz nach ½ 2 Uhr erschien der graue Riesenleib des Beherrschers der Lüfte in weiter Ferne. In ruhiger stolzer Fahrt schwebte er durch das Luftmeer, und bald hörte man auch das dumpfe Brausen der Propeller. Quer über den Flugplatz ging die Fahrt, tausendfaches Tücherschwenken begrüßte das stolze Luftschiff und seine Insassen. In weitem Bogen wurde die Stadt überflogen, und um ¾ 2 Uhr erfolgte mit staunenswerter Sicherheit mitten auf dem Flugplatz die Landung.“ Das Luftschiff „Hansa“ brachte elf Passagiere nach Cottbus und beförderte neun zurück nach Potsdam. 
Der Tod Zeppelins, die militärische Nutzung der Luftschiffe und dann der Versailler Vertrag unterbrachen zunächst diese Entwicklung. Aber in der zweiten Hälfte der Zwanziger begann dann die große Zeit der Zeppeline. Das erfolgreichste Luftschiff, LZ 127 „Graf Zeppelin“, ging auf Fahrten um die Welt. Nordamerika, das Polargebiet, die Pyramiden von Gizeh und eine Erdumrundung: Da durfte Cottbus nicht fehlen. Am 10. Juni 1930 überflog LZ 127 im Rahmen der Deutschlandfahrt die Stadt. Das von Hugo Eckener, dem Zeppelin-Nachfolger, gebaute Luftschiff war 236 m lang, hatte einen Durchmesser von 30 m und ein Traggasvolumen von 105.000 m³. Es landete diesmal zwar nicht in Cottbus, dennoch war die Begeisterung grenzenlos. 
Mit LZ 129 „Hindenburg“ endet dann die Geschichte des deutschen Luftschiffbaus. Der Zeppelin mit der luxuriösen Ausstattung nahm den geregelten Transatlantikbetrieb auf, brachte mit 125 km/h Max Schmeling nach seinem K.o.-Sieg gegen Joe Louis nach Berlin zurück und ging dann am 6. Mai 1937 – vor 80 Jahren - in Lakehurst in Flammen auf. Seither dienten Luftschiffe höchstens noch als Werbeträger.
Das sollte sich um die Jahrtausendwende gründlich ändern. 1998 wurde das Unternehmen Cargolifter AG gegründet. Ziel war es „Schwerlasttransporte durch eine Vervielfachung der maximalen Nutzlast und Ausschaltung von transport- und indirekt auch konstruktionstechnischen Beschränkungen großer Industrieanlagen zu revolutionieren.“ Der CL 160 sollte Maschinen und Geräte bis zu 160 t und unabhängig von Straßenbreiten und Kurvenradien befördern. Am 22. November feierten Mitarbeiter, Aktionäre und Tausende Brandenburger die Einweihung der größten freitragenden Halle der Welt in Brand bei Lübben. Die Lausitzer Rundschau kündigte an: „2003 soll hier das erste Cargolifter-Luftschiff aus dem ‚Nest‘ ausgefahren werden. Aber schon im nächsten Frühjahr wird mit dem ‚Towtech‘ ein antriebsloser Vorläufer in der 360 Meter langen, 210 Meter breiten und 107 Meter hohen Halle stehen.“ Trotz dieses hoffnungsfrohen Beginns, trotz Präsentation als Außenstandort der Expo 2000, Kanzlerbesuch und Börsengang kam Gegenwind für das Unternehmen auf. Nach der Steigerung der Entwicklungskosten und einer Korrektur der technischen Parameter für den CL 160 verschärfte sich die Lage. Der brandenburgische Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß setzte sich dann im Kabinett dafür ein, das Projekt nicht weiter zu fördern. Am 31. Mai 2002, vor 15 Jahren, meldete Cargolifter beim Cottbuser Amtsgericht Insolvenz an.
Hätte das Projekt erfolgreich sein können, wenn in Brand und Potsdam Verantwortliche mit dem Format Ferdinand Graf Zeppelins am Werke gewesen wären? Vielleicht! Sicherlich aber fehlt auch die Technikbegeisterung von damals.
Beim Cargolifter war Schluss, als das Geld alle war. In Brand tummeln sich statt der Luftschiffer jetzt die Urlauber im Tropical Island. Beim Flughafen BER wird munter weiter gewerkelt. Wenn dort den Aktionären irgendwann die Geduld ausgeht, kann man die Hülle ja als Reha-Einrichtung für überforderte Bauingenieure und gestresste Aufsichtsratsmitglieder nutzen!


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