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Der Tertiärwald erzählt die Geschichte der Niederlausitz

- vor 30 Jahren -
Typisch für den Tertiärwald sind Sumpfzypressen.

Typisch für den Tertiärwald sind Sumpfzypressen.

Werbefachleute sprechen von Alleinstellungsmerkmalen. Damit sind herausragende Leistungsmerkmale gemeint, durch die sich eine Stadt von anderen unterscheidet, ein Versprechen auf Einzigartigkeit. Cottbus besitzt solche Einzigartigkeiten. Da sind Park und Schloss Branitz. Eine selbstbewusste Bürgerschaft schuf sich dann ein prachtvolles Theater im späten Jugendstil. Und in der jüngeren Zeit verbanden die Cottbuser mit unnachahmlichem Schwung den Übergang zur Marktwirtschaft mit der Präsentation der ersten Bundesgartenschau in den neuen Ländern. Dort, auf dem Gelände der BUGA 95, im heutigen Spreeauenpark, befindet sich ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von Cottbus, der Tertiärwald. Dieses exotische Stück Natur, in dieser Form einmalig in Europa, verdanken wir Ursula und Rolf Striegler und dem von ihnen inspirierten Naturwissenschaftlichen Verein der Niederlausitz. 
Der Tertiärwald im Spreeauenpark in Cottbus ist die Nachgestaltung eines Urwaldes in der Flussniederung der Ur-Elbe, wie er vor 10 Millionen Jahren in der Niederlausitz existierte. Grundlage dafür sind die Fossilfunde aus einer Tongrube nördlich von Lauchhammer. Verwendet wurden bei der Anlage des Tertiärwaldes heute lebende Pflanzenarten, die den damaligen fossilen Pflanzenarten am nächsten verwandt sind, Pflanzenarten also, die während der Eiszeiten in der Niederlausitz ausgestorben waren, deren nur gering weiterentwickelte Nachkommen anderswo aber noch existierten. 
Gegliedert ist der Tertiärwald in verschiedene Biotope, wie sie in Flussniederungen infolge unterschiedlicher Wasserstände im Jahreslauf vorkommen: In Sumpfwald, wo der Boden fast ständig von Wasser bedeckt ist, in Auwald, wo es Überflutung nur bei Hochwasser gibt, und in Buchen- und Eichenwald oberhalb der Hochwasserlinie. Die Landschaftsnachbildung mit der Flora des Tertiärs, der Flora zur Zeit der Entstehung der Braunkohle, ist nicht nur ein wichtiger wissenschaftlicher und pädagogischer Beitrag für die Stadt. Der Tertiärwald gehört zum Selbstbewusstsein von Cottbus, dass viele Jahrzehnte das administrative Zentrum der Kohle- und Energiewirtschaft war, eine Periode, auf die man mit Stolz zurückblicken kann.
Ausgangspunkt für die Idee des Tertiärwaldes waren Ausgrabungen in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Vor der Überbaggerung sicherten Cottbuser Geologen über 11.000 Tonplatten mit Abdrücken oder inkohlten Resten von Blättern und Nadeln, aber auch Samen, Früchten und Zapfen. Diese Funde ließen eine detaillierte Kenntnis der Pflanzengesellschaften des Tertiärs zu. Zunächst war für die Nachgestaltung einer Tertiäranpflanzung ein Garten in der Einflugschneise des Flugplatzes ins Auge gefasst. Als sich dann aber abzeichnete, dass 1990 in Cottbus die Arbeiterfestspiele stattfinden sollten,  griffen Ursula und Rolf Striegler beherzt zu. Jene alle zwei Jahre abgehaltenen Festspiele waren eine Gelegenheit, der sozialistischen Planwirtschaft einige Extras abzutrotzen. Und so begann ab 1987, vor 30 Jahren, die Realisierung für den nun größer angelegten wissenschaftlichen Urwald, nun im Zusammenhang mit einer Verschönerung des Tierparks geplant. Der zunächst illegale Pflanzungsbeginn wurde von den Behörden toleriert und der Tertiärwald in die Planung integriert. Zwischen der Spree, dem damaligen Bezirkspionierpark und dem als Fahrschulparcours genutzten Pressefestgelände wuchs die botanische Attraktion heran.
Wir wissen, dass dann Einiges anders kam. Anstelle der sozialistischen Arbeiterfestspiele stand nach der Wende eine nationale Gartenausstellung ins Haus. Das schon fast fertige Striegler-Projekt befand sich auf einmal im Zentrum des Bundesgartenschaugeländes. Es wurde sozusagen zum Kern der BUGA 95 und mit dem Thema Erdzeitalter der Braunkohleentstehung auch zum lausitztypischen Element. Mit den sprudelnden Fördermitteln konnten nun Träume realisiert werden. Der Tertiärwald wurde um das Kohlemoor, den Mammutbaumstubben und die Findlingsallee ergänzt. 
Der bunte Sumpfwald im Herbst, der verschneite Zauberwald und das prächtige Grün im Frühling und im Sommer: Der Tertiärwald ist in jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Der Naturwissenschaftliche Verein der Niederlausitz lädt zum 30. Geburtstag zu einigen besonderen Veranstaltungen ein. Am 25. März um 13:00 Uhr spricht Ursula Striegler im neuen Stadtmuseum über die Geschichte des Tertiärwaldes. Ostermontag können Eltern mit ihren Kindern Ostereier suchen. Früh raus muss, wer mit Dr. Helmut Schmidt am 7. Mai zur Vogelstimmenführung gehen will. Die Zusammenkünfte der Tertiärwaldfreunde finden ab April jeden Donnerstag ab 14:00 Uhr statt. Gäste und Helfer sind immer willkommen.
Ursula und Rolf Striegler wünschen sich für die Zukunft des Tertiärwaldes, dass der Bestand gesichert und unter kompetenter Betreuung weiter entwickelt wird, so dass er für die Stadt ein interessantes Vorzeigeobjekt bleibt, welches Cottbuser und Gäste gern besuchen.


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