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Birgit Branczeisz

Radschleuse am Blauen Wunder

Dresden. Nach dem Verkehrsversuch ist vor dem Verkehrsversuch. Die Aufteilung des Stadtraums bleibt umstritten.

Radwegplaner Michael Haase schlägt fürs Blaue Wunder eine Radschleuse vor - auf der Seite zum Schillerplatz. Das bedeutet, am Brückenausgang gäbe es zwei Ampeln - für Fahrrad und Kfz. Zunächst würden die Radfahrer im Pulk grün bekommen und könnten sich am Schillerplatz in die Spuren einordnen, danach die motorisierten Verkehrsteilnehmer. Dadurch würden die Radfahrer vor den Autos stehen und müssten sich nicht zwischen den Fahrzeugen einordnen. Denn Hauptpunkt der Sicherheitsbedenken bleibt der Abstand von 1,50 Metern zu Radfahrern, der nicht einhaltbar ist, zumal die meisten Radfahrer nebeneinander auf dem Radfahrweg stehen bzw. fahren. Ob eine Radschleuse auf in Richtung Körnerplatz funktionieren könnte, ließ Haase offen. Das müsse man sich ganz genau ansehen, da hier zwei Knotenpunkte kurz nacheinander folgen.

Die "Radschleuse" ist eine planerische Weiterdrehe aus dem Verkehrsversuch am Blauen Wunder, der nach drei Wochen mit einem Machtwort von OB Dirk Hilbert abgebrochen wurde. Wie es dazu kam, welche Kriterien im Vorfeld für einen eventuellen Abbruch festgelegt waren und wer welche Stellungnahmen abgegeben hat - das alles kam in der öffentlichen Runde des Bau-Ausschusses am Donnerstag zur Sprache. Die Stadtratsfraktionen hatten jeweils einige Vertreter geschickt, Bürger, Anwohner im Publikum - keine. Nur der ADFC rückte mit etlichen Radlern an. Ein konträres Bild zur öffentlichen Aufregung der letzten drei Wochen.

Gut besetzt dagegen war die Reihe der Verwaltung und Experten von der DVB, Straßen- und Tiefbauamt, Polizei, für die Themen Radwege und Fußwege. Dass ausgerechnet der Sicherheitsgutachter, der im Vorfeld massive Kritik an dem Vorhaben geäußert hatte, nicht anwesend war, ist schon bemerkenswert. Ein Umstand, den insbesondere Veit Böhm von der CDU kritisierte. Der Experte habe abgesagt. Er könne ihn schließlich nicht zwingen zu erscheinen, antwortete Baubürgermeister Stephan Kühn.

Allerdings machten bereits die Stellungnahmen von Tiefbauamt und Polizei massive Bedenken hinsichtlich Stau, fehlender Abstände und Abfluss ins Umfeld deutlich. Für viel Aufregung hatten denn auch über drei Wochen die massiven Verspätungen der Busse gesorgt. Aber ob die DVB nun einer Verspätung von 12 Minuten im Vorfeld "zugestimmt" hatte oder nicht, diese Diskussion gerät im Nachgang zur Farce - obwohl es zu Spitzenzeiten bis zu 45 Minuten Verspätung einzelner Busse gegeben hat, wurde nämlich mit Durchschnittswerten argumentiert.

Susanne Krause von den Grünen fragte folgerichtig, wie man den Kfz-Verkehr stärker unterbinden könne. Doch dem Anklang neuer Verbote steht die topografische Lage der Loschwitzer Brücke mit der wichtigen Anbindung an die Pillnitzer Landstraße und die Grundstraße entgegen.

Klar geworden ist in der ersten Analyse des Verkehrsversuchs, der Test wurde entgegen etlicher kritischer Stellungnahmen initiiert. Das muss zunächst nicht Schlechtes heißen, können sich doch so neue Idee und Anknüpfungspunkte entwickeln. Allerdings zeigt die erste Auswertung auch, es nicht alles vorbehaltlos auf den Tisch gekommen und das ist das Problem. Denn die "Kriterien" bleiben der große Streitpunkt. Die scheint jeder für sich auszulegen. Es war gar nicht vorgesehen zu untersuchen, wie sich die Verkehrsströme in entferntere Straßen und Wohngebiete verlagern, was dadurch an Mehrwegen und Belastungen entsteht. Auch der Stau, das Feilschen um Miunten, spielt dann eigentlich keine entscheidende Rolle mehr - denn schließlich habe niemand Anspruch auf fließenden Verkehr. Punkt.

Dieses Herangehen folgt der Idee, Autofahren so lange zu erschweren, bis so ziemlich alle genervt auf den ÖPNV umsteigen. Dieser Ansatz zielt auf Umerziehung, eben nicht einen Kompromiss für alle Verkehrsteilnehmer. Die Präsentation von Frank Kutzner, Geschäftsführer vom Wegebund e.V., zeichnete ein schönes Bild von bummelnden, verweilenden Menschen auf dem Schillerplatz in den Köpfen der Zuhörer, die mit entsprechenden Radfahrwegen nun ihrerseits nicht mehr von Bikern gestört werden. Zu Ende gedacht, gar eine autofreie Zone, ein touristischer Hotspot und Boulevard? Wäre da die Realität nicht - denn dafür würden andere Stadtteile teuer bezahlen.


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